Siebenfaches Weh

■ Wenn die Hauptstadt zur Provinz wird

Mehr Bequemlichkeit durch das neue Klassensystem“ mit diesem (ironischen?) Slogan wirbt die staatliche DDR-Interflug für ihre neuen Linien. Einige DDR-Journalisten — vergangene Woche auf großer Tour mit Oskar Lafontaine nach Amerika — konnten das original-Klassensystem bei Pan Am kennenlernen. Sie fanden es gar nicht gut. Da vergnügte sich der Saarländer mit den beiden Kollegen von 'Stern‘ und 'Spiegel‘ in der First, die gesettleten Bonner Journalisten machten es sich in der Bussiness bequem und die armen Ostis mußten in der Holzklasse fliegen. Das nächste Mal sollten sie lieber den Vorsitzenden Vogel begleiten. Der fliegt nämlich aus Prinzip (Volksnähe!) Holzklasse.

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Die Zeit der großen Bonner Herbstfeste ist wieder ausgebrochen. Jeden Abend dürfen sich hungrige und einsame Journalisten und Politiker woanders knubbeln. Da parliert der alternde Charmeur Jonny Klein zwanglos mit der 'taz‘-Chefredakteurin, Finanzminster Waigel und der Grüne Milan Horacek gesellen sich dazu — eine illustre Runde. Schade, daß alles streng unter Drei ist, und wir nichts darüber schreiben dürfen. Nebenan, auf der Laubenpieper-Fete in der Berliner Landesvertretung lachen sich Vogel und Momper über den armen Daniels, Bürgermeister zu Bonn, kaputt. CDU-Daniels hatte damals, als es noch völlig ungefährlich erschien, immer behauptet: Die Deutsche Hauptstadt heißt Berlin. Jetzt steht er da und kämpft verzweifelt für Bonn. Sein Argument: Die Hauptstadt für Deutschland muß überschaubar und europaorientiert sein. Womit wir wieder bei unserem Lieblingsthema wären.

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Die Bonner Stadtzeitung 'De Schnüss‘ sieht bereits „siebenfaches Weh über Bonn“. Hier nur einige Wehs: „Der Generalanzeiger wird nur noch einmal in der Woche im Unfang von vier Seiten (Neues aus aller Welt, Neues aus Poppelsdorf, Anzeigenseite, Neues aus Muffendorf) erscheinen. Bis zur Linie Ludendorf-Essig-Miel werden die Grundstückspreise derart sinken, daß das fette Landvolk seinen BMW nicht mehr durch den Wucherverkauf des geerbten Ackers bezahlen kann. Bei den Auto- Händlern wird großer Kummer sein.

Das fromme Collegium Josephinum wird einem zufällig vorbeischlendernden Knaben die Papstlaufbahn in die Hand versprechen, falls er sich denn als einziger Sextaner inskribiere, dieser wird jedoch abwinken, weil er schon ans Beethoven-Gymnasium vertraglich gebunden sei.

Ehe der Hahn dreimal gekrähet wird der City-Ring verdorrt sein. In Berlin aber wird der Ministerialrat Dr. Schüttauf, früher Endenich, unter die Gleise der S-Bahn geraten, so er solche nicht gewöhnet. Das Forum pro Bonn wird so lange gesteinigt, bis es den Appelativ erlernet.“ Die Auflage der 'Schnüss‘ aber wird ins Unermeßliche steigen, denn all die netten Spontis und Freaks halten es in der Reichshauptstadt nicht mehr aus und kommen nach Bonn! Tina Stadlmayer