Kohl doch in U-Boot-Affäre verstrickt

■ Neue Akten der Staatsanwaltschaft, darunter ein Strauß-Brief an Kohl, bestätigen den Verdacht, daß Kohl frühzeitig bei der illegalen Lieferung von U-Boot-Plänen an Südafrika aktiv beteiligt war

Bonn (dpa/taz) — Neue Akten zur U-Boot-Affäre bestätigen den Verdacht, daß Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) weit mehr in die Lieferung von U-Boot-Plänen an Südafrika verstrickt ist, als er zugegeben hat. Der Verdacht, daß Kohl nicht erst im Sonmer 1985 — wie er behauptet —, sondern bereits 1984 über die Lieferungen wußte und diese billigte, hat sich nach Ansicht der Opposition erhärtet.

Die bisher geheimen Akten aus einem Ermittlungsverfahren gegen Kanzlerberater Horst Teltschik — darunter ein bisher inhaltlich nicht bekannter Brief des verstorbenen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß an Kohl — waren erst am Donnerstag auf Bitten des U-Boot- Ausschusses des Bundestages von der Bonner Staatsanwaltschaft freigegeben worden.

In dem Brief mit Datum vom 5. November 1984 schlägt Strauß dem Kanzler vor, den U-Boot-Firmen die „endgültige Genehmigung“ für die Lieferungen an Südafrika „jetzt in Aussicht zu stellen, aber erst nach Ablauf eines halben Jahres vorzunehmen“. In der Zwischenzeit könnte dann „software“ (d.h. Baupläne) geliefert werden. Strauß weist in dem Brief auch darauf hin, daß der damalige Chef des Bundeskanzleramtes, Waldemar Schreckenberger, bereits am 31. Juli 1984 mit den U-Boot-Firmen Howaldtswerke- Deutsche Werft AG (HDW/Kiel) und dem Ingenieurkontor Lübeck (IKL) telefonisch vereinbart habe, die „größere Lösung“ anzustreben, aber die „kleinere Lösung“ rechtswirksam werden zu lassen. Der 31. Juli '84 ist für die Aufklärung der Affäre von entscheidender Bedeutung. An diesem Datum war der erste Strauß-Brief an Kohl zur U-Boot Affäre im Kanzleramt eingegangen. Kohl hatte vor dem Ausschuß bestritten den Brief überhaupt gesehen, geschweige denn mit Schreckenberger darüber gesprochen zu haben. Tatsächlich ist mit dem zweiten Strauß- Brief nun geklärt, daß Schreckenberger — offensichtlich nach Rücksprache mit Kohl oder auf dessen Anweisung — unmittelbar nach Erhalt des Schreibens der Werft Grünes Licht gegeben hat.

In einem zusammen mit dem Strauß-Brief von der SPD am Freitag in Bonn vorgelegten Vermerk eines ehemaligen HDW-Vorstandsmitglieds (Hansen-Wester) vom 13. September 1984 wird der Lieferumfang für eine „erweiterte kleine Lösung“ mit 116 Millionen Mark angegeben. Die „mittlere Lösung“ wird auf 400 Millionen Mark angesetzt. Teltschik und Kohl seien die Termine 6. August 1984 (Wirksamwerden des Vertrages), 6. November 1984 (Beginn der Lieferungen) und 18. September (Kundenbesuch) bekannt. Damit bestätigt Hansen-Wester, daß sowohl Teltschick wie auch Kohl, entgegen dessen bisherigen Behauptungen, sehr wohl von dem Wirksamwerden des Vertrages mit Südafrika wußten. Durch einen weiteren Vermerk, diesmal von HDW- Chef Ahlers, wird Teltschik weiter belastet. Daraus ergibt sich, das Teltschick entgegen seinen Behauptungen, er sei 1985 zuletzt mit dem illegalen U-Boot-Export befaßt gewesen, auch 1986 in die laufenden Aktivitäten involviert war. Erstmals tauchen in diesem Vermerk auch Finazminister Waigel und der Nachfolger Schreckenbergers im Kanzleramt, Wolfgang Schäuble, auf. Danach hat Schäuble zumindestens Einfluß auf die Ermittlungen der Oberfinanzdirektion Kiel genommen, um eine „elegante Lösung“ herbeizuführen.

Besonders peinlich für die CSU sind die Ausführungen des früheren HDW-Vortandsmitglieds Hansen- Wester über die fälligen Provisionen für die Abwicklung des Geschäfts an den Strauß-Spezi und CSU-Bundestagsabgeordneten Zoglmann, der als Rüstungslobbyist die direkten Verhandlungen mit den Firmen führte. Um das „unmittelbare Interesse“ seiner (Zoglmanns) Freunde zu sichern, müsse HDW Provisionen in Millionenhöhe zahlen.

Der U-Boot-Experte Gansel (SPD) sprach — im Zusammenhang mit den Provisionen für Zoglmann — von Korruption. Die Anhaltspunkte, daß davon auch Schmiergelder an deutsche Politiker (sprich: Parteispenden an die CSU) gezahlt worden seien, verdichteten sich, sagte Gansel. Alle Beteiligten sollten möglichst bald vor dem Untersuchungsausschuß zu den neuen Akten gehört werden.

Die Grünen erklärten, Kohl habe sich nach den vorliegenden Akten der Beihilfe an einem illegalen Rüstungsgeschäft mit Südafrika schuldig gemacht. Er habe nicht nur sondiert und verhandelt, „er war vielmehr der aktive Drahtzieher im Hintergrund“. Der Kanzler müsse sofort zurücktreten, forderten die Abgeordneten Eid und Beer.

Das Ermittlungsverfahren gegen Teltschik, aus dem die neuen Akten stammen, war wegen Verdachts der uneidlichen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuß eingeleitet worden, dann aber aus formalen Gründen eingestellt worden. Weil Teltschiks Zeugenanhörung vor dem Ausschuß immer noch nicht abgeschlossen ist, hat er noch die Möglichkeit, bisherige Aussagen zu korrigieren. JG