Hochofen-Lightshow

■ Beim „Klöckner Open Air“ fröstelte das Freikartenpublikum

„Stahl ist jung“ — diese Botschaft hat die PR-Abteilung der Klöckner Hütte am Samstag abend nicht ganz so überzeugend unters Volk bringen können.

„Stahl ist kalt“ — das schon eher, aber das weiß ja schon jeder. Das Publikum stählte sich den Abend über auf dem recht zugigen Parkplatz vor der Hütte oder holte sich einen Schnupfen, aber da nur wenige für ihre Karten bezahlt hatten, ging das in Ordnung. Eigentlich sollte mit diesem Konzert um Lehrlinge für Klöckner geworben werden, aber allzuviele Jugendliche im entsprechenden Alter waren nicht zu sehen.

Das Programm lief auch haarscharf an der Zielgruppe vorbei: welche Sechzehnjährige kennen schon Mitch Ryder? Deren Eltern konnten sich eher für den in Ehren ergrauten Bluesrocker begeistern, und vielleicht haben sie ihren Sprößlingen die Bewerbungsunterlagen mit nach Hause gebracht.

Wieviele Hochöfen laufen bei Thyssen?

Bei Klöckner selber wurden offensichlich auch allerhand Freikarten verteilt, und so konnte man am Bierstand interessante Streitgespräche darüber hören, wieviele Hochöfen bei Thyssen laufen. Wer keine Freikarte hatte, brauchte auch nicht zu bezahlen, sondern konnte ganz einfach über den Rasen aufs Gelände maschieren. Die Einkünfte vom Kartenverkauf störten scheinbar nur beim Abrechnen des Verlustes fürs Finanzamt.

Es gab sogar noch mehr Program als angekündigt: um 19.30 spielte sich die Gruppe „Rams“ — als dringend nötiger Anwärmer — durch alle Klischees der Rockmusik. Das einzig Bemerkenswerte an der folgenden Bremer Band „Übermut“ waren die Rückkopplungen, die ihrem Song „Die Rechnung geht nicht auf“ einen ganz neuen Sinn gaben. In der DDR scheint dagegen die Rockwelt noch heil zu sein: Die Gruppe „Rockhaus“ spielte naiven und dennoch hochprofessionellen Deutschrock mit schnulzigen Texten wie „Ich laß mich treiben im Meer von Gefühlen“, die sie so blauäugig vortrugen, daß ihnen keiner böse sein konnte.

Um elf Uhr trat dann endlich obercool mit Sonnenbrille Mitch Ryder auf die Bühne und spulte eine perfekte Rockshow ab, bei der man Klöckner, die Kälte und müde Beine schnell vergaß. Keiner brüllt den Blues so routiniert wie er. So waren's am Ende doch alle zufrieden, nur Klöckner wird wohl auch weiterhin nach Lehrlingen suchen müßen. Stahl ist eben doch nicht jung, aber manchmal schön: alle halbe Stunde färbten sich die Wolken über der Bühne glutrot. Der Abstich aus dem Hochofen lieferte eine Lightshow, gegen die auch die aufwendigsten Scheinwerferbatallione Kinkerlitzchen sind.

Willy Taub