: Bremen ohne Interesse an Fett-Recycling-Firma
■ Gefährliche Abfälle — nicht nur ein Problem von Chemiegiganten / taz-Montags-Serie zum alltäglichen Giftmüll
„Es kocht an allen Fronten“ sagt Ulrike Patzek. Die Bremer Ingenieurin hat vor über zehn Jahren eine Marktlücke entdeckt: Fettentsorgung. Denn nicht nur der Körper hat Schwierigkeiten, das Zuviel an Fett zu verbrauchen: er trägt es in sichtbaren Fettpölsterchen zur Schau. Auch die moderne Küche produziert Fettüberschüsse, die sich — derzeit noch weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit — zu ganzen Fettbergen auftürmen.
Fett — ein Sondermüllproblem? Der Abfallreferent der Umweltsenatorin wälzt die Akten: Ganze 971 Kilogramm Speisefett sind in den Statistiken zu Bremer Sonderabfällen im vergangenen Jahr verzeichnet. Und zur Schadstoffsammelstelle wurde 1989 ein (in Zahlen: 1) Liter Speiseöl gebracht — den die zuständigen Beamten von dort zur Müllverbrennung weiterleiteten.
Ulrike Patzek nennt jedoch Zahlen ganz anderer Größenordnung: Eine durchschnittliche Imbißbude produziert 100 Kilogramm verbrauchtes Fett pro Monat, ein einziges Fast-Food-Restaurant 300 kg, nicht gerechnet die Großküchen, die Wurstfabriken mit ihren Bratstraßen für Frikadellen vom Fließband, die Fischbrätereien, Kartoffelchip- Produzenten und die Brothersteller, deren Backbleche und Schneidemaschinen für Schnittbrote mit feinem Speiseöl gefettet werden müssen. „Seitdem die erste Pommes Frites auf den Markt kam, ist der Markt für Pflanzenöle explodiert“, erklärt Ulrike Patzek, Mitbegründerin der „Bremer Fettentsorgung“ und sie betont: „Seit einem halben Jahr bricht die Fettentsorgung zusammen.“
Ihr Dienstleistungsbetrieb mit seinen Transportfahrzeugen sammelt derzeit allmonatlich und bundesweit (mit Schwerpunkt in Norddeutschland) 300 Tonnen verbrauchte Fette ein. Weitere 200 Tonnen liefern andere Fett sammelnde Zwischenhändler der Fettentsorgungsfirma an: „Wenn wir mit unserem Achttonner zur Verbrennungsanlage fahren würden, stünden die Kopf“, meint die Fettentsorgerin. Dann würde schlagartig auffallen, daß sich das Fritierfett eben nicht problemlos unter den zu verbrennenden Hausmüll mischen läßt, da sich damit der Heizwert immens erhöhen würde.
Seit über einem Jahrzehnt transportiert die „Bremer Fettentsorgung“ die in dicht verschließbaren Kunststoffässern eingesammelten Altfette LKW- weise nach Belgien und in die Niederlande. Dort sitzen bisher die einzigen Großabnehmer: Recyclingbetriebe, die die Fritier-und Bratenfette reinigen und dann wieder hochwertig der Industrie zur Herstellung sogenannter „Mischfette“ verkaufen. Die aufbereiteten Altfette werden dazu (als ein preisgünstiger Kostenfaktor) nach verschiedenen Rezepturen den anderen Fetten beigemischt. Die entstehenden technischen Fette finden ihren Markt z.B. in der Chemischen Industrie (sie sind verseifbar), in der Stahlindustrie (zum Einfetten von Karosserieblechen), in der Viehfutterindustrie u.v.m.
Noch sitzt die „Bremer Fettentsorgung“ als ein reines Transportunternehmen in Stuhr, dicht vor der Bremer Landesgrenze. Doch Ulrike Patzek und Kompagnon wollen mehr: Selbst recyclen. Mit einem in zehn Jahren gewachsenen Know How und konkreten Plänen wollen sie einen Recyclingbetrieb für organische und pflanzliche Fette errichten.
Vom Sammeln zum Wiederverwerten
In einer solchen Anlage für pflanzliche Fette würden die Altfette zunächst in Labors klassifiziert, dann bei ca. 70 Grad verflüssigt und dadurch Ballaststoffe, wie Papier, Pappe, Essensreste und Metallteile herausgelöst. Das verflüssigte Fett wird über Filter in Absetz-Tanks geleitet, Feinstschlämme und Wasser abgetrennt und z.B. in einem Faulturm in Energie für den Kreislauf umgesetzt — so das Prinzip des Fettrecyclings (stark vereinfacht).
Mit dieser Millioneninvestition würde sich die „Bremer Fettentsorgung“ zu einem Betrieb mit rund 80 MitarbeiterInnen ausweiten. Doch die Bremer Behörden haben bislang auf sämtliche Anfragen noch nicht reagiert, während andere Umlandgemeinden „wenigstens Interesse“ an der vorgeschlagenen Umwelttechnologie gezeigt hätten, wundert sich die Ingenieurin.
Sie will übrigens noch einen anderen Vorstoß in die Bürokratie wagen, und für spezielle Sammelbehälter in gastronomisch dicht besiedelten Gebieten kämpfen: „Im Viertel zum Beispiel können wir mit unseren Fahrzeugen oft gar nicht bis zu den Kunden vorfahren. Und die wiederum haben in ihren winzigen Küchen häufig keinen Platz für solch ein Kunststoff-Faß.“ Eine spezielle Infrastruktur für diesen Abfallbereich scheint der Entsorgerin deshalb unumgänglich. Ebenfalls zwingend will der Betrieb zum 1. Oktober, wenn mit der TA Abfall die neuen Entsorgungsvorschriften in Kraft treten, auf Gebührenerhebung bei den Kunden umstellen: „Bisher haben wir, quasi als pädagogischen Anreiz, den Kunden ein bißchen was bezahlt. Das läßt sich aber wirtschaftlich nicht mehr halten.“
Für die in den Fettabscheidern der Großküchen entstehenden Fette gibt es übrigens noch keine Recyclingmöglichkeit: Diese Fettschlämme sind wegen ihres zu hohen Fettsäuregehaltes zu sauer (mit speziellen Gärprozessen als Folge). Sie müssen bislang mit Saugwagen abgepumpt und zu Deponien gebracht werden. 1987 wurden (laut Auskunft des Senats zu einer Anfrage der Grünen) rund 768 Tonnen Fettabfälle nach Schönberg gefahren. Und Niedersachsen ließ im selben Jahr rund eine Tonne verdorbene Pflanzenöle und 2739,9 Tonnen „Inhalt von Fettabscheidern“ bei den Firmen Plump und Märtens „behandeln, lagern oder beseitigen. BirgittRambalski
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