Olympia: Dem Ingenieur ist nichts zu schwör...

■ Planer und Publikum diskutierten Berlins Olympische Spiele: Die wirklichen Gefahren stehen nicht in den Machbarkeitsstudien der Sandkastenplaner

Kreuzberg. Wozu Frischluft, es gibt ja Mehrzweckhallen. Sollen denn die Dreckecken ewig bleiben? — Olympia lohnt sich immer. Und hat der Menschheit schon so manch Segensreiches gebracht: Die Tartanbahn, das Plexi-Dach, in München den Verkehr unter Wohngebäuden, Videotafeln, Tunnelschnellbahnen. Gar nicht zu reden von der schönen Idee von Friedensförderung und Völkerverständigung.

Drei offizielle Olympioniken traten am Freitag beim Verein »Stadt Tor« in Kreuzberg aufs Podium. Die Planer vom Olympia-Büro, Dr. Rabe und Dr. Wimmer, beide Ost- Berlin, und der im Juli kaltgestellte AL-Sportstaatssekretär Hans-Jürgen Kuhn aus dem West-Teil. Disziplin: Diskussion. Thema: »Höher, größer, teurer — Kein Freibrief für Olympia«. Die beiden Ostberliner, denen man deutlich anmerkte, wie froh sie sind, überhaupt noch einen Job zu haben, legten sich werbend ordentlich ins Zeug, siehe oben. Dem Ingenieur ist nichts zu schwör... Machbarkeitsstudien sind eben dazu da, Machbarkeit zu beweisen. Erst Sport-Staatssekretär Kuhn, in Sachen Olympia längst entmachtet, brachte Differenzierteres. Allerdings wollte er noch nicht abschließend beurteilen, ob sich Berlin denn nun wirklich für 2000 oder 2004 bewerben soll.

Kuhn schilderte die angepeilte grobe Verteilung von Olympia auf die Stadt: Schwerpunkt ist das alte 36er Olympiagelände mit Olympischem Dorf auf dem Gelände der Briten/Polizei in Ruhleben. Medienzentrum werden das ICC und der SFB- Komplex am Funkturm. Hallenneubauten und -sanierungen sollen hauptsächlich im Ostteil laufen, von wegen Aufbau. Es wurde klar, daß mit diesen Szenarien die Idee dezentraler, sanfter Spiele bereits erledigt ist — die Vorgaben des IOC für »Spiele der kurzen Wege« sprechen dagegen. Kuhn ging auch auf die Finanzen ein: Zwar halten sich die Einnahmen von über drei Milliarden DM durch Kartenverkauf, Fernsehlizenzen und Lotterien die Waage mit dem Aufwand für Sportstättenneubau und Kosten für die Abwicklung. Doch der Ausbau des Verkehrsnetzes, Olympisches Dorf und die riesige Mehrzweckhalle sind da nicht eingerechnet. Eine Drittelbeteiligung des Bundes an den Verkehrsinvesitionen — wie 1972 in München — werde für Berlin vermutlich nicht ausreichen, meinte Kuhn.

Die Fragen, die dann die etwa 50 ZuschauerInnen an die drei Olympia-Planer hatten, wiesen weit über eine »Machbarkeitsstudie« hinaus: Wie soll der Verkehrskollaps der Stadt verhindert werden? Werden Mietsteigerungen die »einfachen Leute« aus den Innenstadtbereichen vertreiben? Kann die Stadt sich gleichzeitig für Olympia und Hauptstadtfunktion ausbauen? Wird es einen neuen Bauspekulations-Goldrausch geben? Bleibt überhaupt noch etwas für den Breitensport übrig?

»Wo gehobelt wird, da fallen Späne«, war eine der einfachen Antworten des Dr. Wimmer. Und zur Symbolik Olympia in Berlin 1936/2000 zitierte er erst Hitler (»Deutschland erhält eine Sportstätte, die in der Welt ihresgleichen sucht«) und dann meinte der Mann: »Irgendwann müssen wir Deutschen aufhören, uns selbst zu kasteien«. Zu einem Weltereignis könne man nicht »mit dem Tretroller antreten«.

Kuhn hingegen warnte vor Bauboom und Filz. Er forderte, daß erst die neue Stadtregierung über die Bewerbung entscheiden solle: »Wir brauchen mehr Zeit für mehr Mitbestimmung und Planungskultur«. Der Senat wird aber vermutlich im Gegenteil Tempo machen: Bereits morgen soll die Olympia GmbH beschlossen werden, die mit einem Etat von über 40 Millionen bis 1993 Werbung für Berlin machen wird. Mitte Oktober liegt die endgültige Machbarkeitsstudie vor. Angeblich soll noch am 24. Oktober, wenn das Abgeordnetenhaus zum letzten Mal in der Legislaturperiode tagt, die Bewerbungsentscheidung fallen: rechtzeitig vor der Wiedervereinigung der Deutschen NOKs im November. Im Juli 1991 entscheidet sich das neue gesamtdeutsche NOK dann für einen Bewerber, 1992 müssen die Bewerbungen für das IOC stehen, das sich dann Mitte 1993 endgültig festlegt. kotte