»Ich empfinde mich als zeitlos«

■ Udo Lindenberg, kurz befragt INTERVIEW

taz: Du hast Anfang der 80er Jahre in Berlin gelebt. Wie ist jetzt dein Verhältnis zu dieser Stadt?

Udo Lindenberg: Damals kam ich ja auch, weil mich interessiert hatte, was die Autonomen- und Besetzerszene so machte. Ich hatte dann ein paar Experten kennengelernt, die mir einen Einblick in die Szene gegeben hatten. Wir wollten die Alternativkultur unterstützen. Eine Art Dachverband war in Überlegung; daß man das eben alles mal geregelt bekommt und sich auch vom Senat Kohle rüberschieben läßt. Wir hatten eine Konferenz bei Hassemer, aber das ging gleich mit Streitereien los: Wer nun wieviel bekommt, wer's ganz ohne Senat machen möchte usw. Ich hatte mich damals ein bißchen als Manager von dem Ganzen versucht, es aber nicht geregelt bekommen. Das Netzwerk war doch nicht so gut vernetzt.

In erster Linie war ich aber hier, um den Berliner Underground ein bißchen genauer kennenzulernen; um zu sehen, wie das so ist mit der Musik und den provokanten Texten, die in den Kellern entstanden waren. Das wurde dann immer weniger, und so bin ich dann wieder nach Hamburg zurückgegangen.

Was machst du zur Zeit?

Zur Zeit haben wir gemeinsam mit Noch- DDR-Experten und Greenpeace Ökogroßaktionen fürs nächste Jahr geplant, Konzerte auf Schiffen. Die fahren den Rhein oder die Elbe runter, legen alle paar Kilometer an und informieren die Leute, wie dreckig diese Flüsse sind und woher dieser Dreck auch herkommt. Damit die Konzerne auch mal zur Kasse gebeten werden.

Hast du in Hamburg noch Kontakte zur Szene oder zu jüngeren Bands?

Nicht so sehr. Auf Seiten solcher Bands gibt es auch oft Vorbehalte gegen mich. Der Psychologe würde da vielleicht von Vatermord sprechen; dem Versuch der Selbsterhöhung durch Erniedrigung derer, die gut Asche gemacht haben — Kommerzienrat Lummerchen usw. Ich komm da nicht an, aber ich habe keinen Bock, mir das zum Problem machen zu lassen.

Gibt es einen Unterschied zwischen deinem DDR- und deinem BRD-Publikum?

Es gibt Temperamentsunterschiede. Ansonsten ist das in der DDR vor allem sehr intensiv, weil es für einen Großteil des Publikums die erste Begegnung mit der Band ist.

Beschäftigst du dich mit jetziger Popmusik?

So normale Popmusik interessiert mich nicht. Was jetzt für mich wichtig ist, ist zu sehen, was mit den Keller- und Punkerkapellen in der Noch- DDR so los ist. Da bemüh' ich mich im Moment drum. Ist aber schwierig ranzukommen. Ich werd' in nächster Zeit wieder nach Berlin kommen. Es gibt da genug Bands, die man irgendwie featuren sollte.

Wie ist dein Verhältnis zu denen, die du »Politpappnasen« nennst? Von Momper hast du doch das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen, und damals stellte sich doch die Vereinigung noch befreiender dar?

Den Momper treff ich ja nun auch nicht ständig. Der Einheitsprozeß ist aber auch vielschichtig. Es werden 104 Prozent Fehler und auch Erfahrungen gemacht, weil das eben nicht alle Jahre passiert. Aber ich bin schon von der Firma, die das optimistisch sieht, und nach 40 Jahren Knast kriegt man die paar Jahre Umbruch auch noch hin.

Ein paar deiner Fans sind mit Deutschlandfahnen gekommen?

Da kommen immer ein paar. Die schmeißen die Fahne auf die Bühne und ich schmeiß die ganz schnell wieder runter. Ich will das nicht haben. Wir wissen natürlich, daß es diese Leute mit dem dumpfen Geruch von früher im Publikum gibt, die bei dieser deutschen Stolperei und diesem Tarnmüll mitmachen. Aber Skins oder Faschos kommen nicht zu uns.

Momper, der vielleicht zwei Jahre älter ist als du, hat dich zum unbequemen Schwiegersohn ernannt. Wie stehst du zum Alter?

Ich empfinde mich als einigermaßen zeitlos, wohlwissend, daß sich die Jahre summieren und daß es irgendwann auch ein bißchen ungesünder wird, älter zu werden. Gelegentlich ist das auch mit Gesundheitsirritationen verbunden. Ich fühl mich aber ziemlich fit. Ich finde auch, daß man die eigenen Anteile von Kindlichkeit und Jugendlichkeit nicht verleugnen sollte. Man muß irgendwie alles rausholen; die Summe der Jahre, die der Greis, der bereits in mir angelegt ist, mit seiner Weisheit als Optionsschein in der Tasche hat. Interview: Yvette Ihlow-Gaedicke/

Detlef Kuhlbrodt