Stilmöbel für den Sperrmüll!

■ Zur neuen ZDF-Unterhaltungssendung „Die rote Couch“, Fr. 14.9.

Wenn man nicht mehr weiß, wie man die Leute noch für dumm verkaufen und wie man den letzten Mist noch an die Frau und an den Mann bringen soll, dann scheint die tumbeste Methode die naheliegendste zu sein. Zumindest im Fernsehen. Kommt da einfach einer her und läßt eine blöde, rote Ledercouch durch die Gegend karren. Dieser Jemand ist ZDF-Redakteur Hans-Günter Brüske, bzw. sein Regisseur Hannes Rossacher. Die Idee für diese Unterhaltungssendung, die um Originalität ringt wie der Teufel um die arme (Zuschauer-)Seele, stammt von Horst Wackerbarth. „Sehgewohnheiten verändern“ will der Fotograf, denn „die Menschen sind nicht blöde. Die verstehen neue Bilder.“

Was zum Henker ist „neu“ daran, ein Möbel an die Fensterputzer-Gondel eines Hochhauses zu hängen, um eine Putze über ihre Arbeit zu interviewen? Oder auf einen offensichtlich präparierten Misthaufen, auf dem dem dann ein Duftexperte schwühle Werbesprüche über seine Parfüms abliest? Die Amis hätten das gleich richtig gemacht. Die hätten nämlich den Regisseur selbst auf seine Couch gebunden und dann die Niagara-Fälle hinuntergeschubst.

Neu ist alleine die Dimension der Phantasielosigkeit, mit der man hier belästigt wird. „Way of life“ statt „life style“ lautet das Motto. Doch was ist das für ein „way of life“, wenn mäßig instruierte Komparsen angeheuert werden, die einem Fesselballon zujubeln, in dessen Gondel ein Stuntman das Double von König Ludwig von Bayern doubelt? „Lebensarten, Lebensgefühle und Lebenswege“ sollen das laut Brüske sein. Und zwar sollen „real people“ auf der Couch Platz nehmen, und nicht „rich people“. Na großartig!

Literatur-Clown Marcel Reich Ranicki, der — wie unglaublich originell! — ein Mickey-Mouse-Heft rezensieren sollte, ist uns zum Glück erspart geblieben. Dafür tragen die Fischer-Chöre ihren bigotten Kehlen-Guru Gotthilf Fischer durch den Wald, singenderweise. Eine bizarre Szenerie, die wie ein Remake von Romeros Night of the living Dead wirkt und in der die Menschen so „real“ erscheinen als hätten die Kameraleute LSD genommen.

Und damit auch noch der letzte weiß, was er davon zu halten beziehungsweise womit er sich zu identifizieren hat, werden zwei „Couch- Potatoes“ eingeblendet, welche die laufende Sendung kommentieren. „Durch Zwischenrufe und Bemerkungen“, heißt es dazu in einem schamlos lancierten Promo-Artikel in einer großen Illustrierten, sollen „Orientierungshilfen“ gegeben werden. Was im zentralen Nervensystem eines Kritikers geschieht, wenn Holger und Jutta — so heißen die beiden — Sprüche austauschen von der Marke „Ich mag den Derrick. Der heißt nur so Tappert“, ist nicht mehr zu beschreiben.

Fazit: In einer Zeit, in der auch noch der letzte Fernseh-Schnarcher mehr oder weniger bewußt kapiert hat, daß Prominente und Stars telegene Sprechmaschinen ohne wirkliche Privat- und Intimsphäre sind, geht es nun darum, neue Identifikationsmuster zu domestizieren. Nachdem Flair und Glamour verbraucht sind, wird es wieder interessant, einer Fensterputzerin zuzuhören, die erklärt, wie die Fassade eines Hochhauses gereinigt wird: „Unn mid dem Schorsch poliert mer dann die Schnicker aus.“ Sie hätte genauso gut die Sicherungsleine lösen und aus 35 Metern in die Tiefe springen können. Aber so weit sind wir noch nicht. Manfred Riepe