Streit um Einheitssteuer

■ Vorschläge zur Finanzierung der Einheit ohne Ende: Hamburger Bürgermeister Voscherau fordert „Notopfer“, Waigel lehnt Steuererhöhung weiter ab/ Wirtschaft besteht auf Steuersenkung

Bonn (afp/taz) — Wer soll die Einheit finanzieren? Darüber zerbrechen sich Politiker aller Parteien die Köpfe: Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) forderte deshalb ein „Notopfer deutsche Einheit“ mit einem Zuschlag auf die Telefongebühren. Er sprach sich für eine Verschiebung der geplanten Reform der Unternehmenssteuern um fünf Jahre aus. Eine befristete Erhebung eines Steuerzuschlags auf Spitzeneinkommen hält der Hamburger Bürgermeister für vertretbar. Voscherau möchte die Mehrwertsteuersätze um zwei Punkte anheben und die Zonenrand- und die Berlinförderung überprüfen lassen, sagte er im Deutschlandfunk. Die freiwerdenden und neu zu gewinnenden Mittel müßten auch zum Aufbau einer „Förderkulisse“ in den Ländern der DDR eingesetzt werden, damit dort investiert werde.

Die Arbeitgeberverbände bestehen dagegen auf der versprochenen Steuersenkung, während der DGB ausdrücklich davor warnte. Der hessische CDU-Ministerpräsident Walter Wallmann betonte, er sei zwar nicht für Steuererhöhungen, wollte sie aber für einen begrenzten Zeitraum nicht ausschließen. Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) kritisierte die SPD-Forderung nach einer Ergänzungsabgabe für Höherverdienende. Das sei ein „sozialistischer Ladenhüter“ und gefährde die „Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland“.

Gebe man den Forderungen nach Steuererhöhungen nach, entfalle vor allem der Druck, Finanzierungslösungen durch Umschichtungen und Einsparungen zu erreichen, sagte Waigel der 'Welt am Sonntag‘. „In Deutschland brauchen wir das Vertrauen auch der ausländischen Investoren. Wir dürfen sie nicht durch unsinnige Steuervorschläge verprellen“, betonte er. Die deutschen Milliardenzahlungen für den sowjetischen Truppenabzug werfen, so Waigel, zusätzliche Probleme für die Finanzierung der deutschen Einheit auf. Er halte die Kosten für den Truppenabzug jedoch vor dem Hintergrund, daß Deutschland noch in diesem Jahr die volle Souveränität wiedererlange, für vertretbar, sagte Waigel. SPD-Chef Hans-Jochen Vogel forderte die Bundesregierung auf, den Wählern vor der ersten gesamtdeutschen Wahl am 2. Dezember die Wahrheit über die Kosten der deutschen Einheit und über die aus Sicht der Opposition notwendigen Steuererhöhungen zu sagen. Dies sei eine Frage des politischen Anstands und der politischen Moral, betonte Vogel am Sonntag im Süddeutschen Rundfunk. „Das, was die Union hier tut und auch die FDP, das heißt, den Leuten bis zur Wahl Sand in die Augen streuen und dann nach der Wahl das tun, was man vorher abgestritten hat. So verspielt man Glaubwürdigkeit.“ Der Präsident der Vereinigung der Arbeitgeber, Klaus Murmann, hält weiter an der angekündigten Unternehmenssteuerreform fest. Die deutsche Wirtschaft brauche dringend die Entlastung, um auf dem europäischen Markt 1992 konkurrenzfähig zu bleiben. Die Wettbewerbssituation sei sonst nicht im Einklang mit europäischen Maßstäben. Letztendlich komme man auf diesem Weg zu höheren Steuereinnahmen. km