Türkische Füße in französischen Schuhen

In Frankreich werden dringend Spezialisten in Sachen Luxus gebraucht. „Luxus ist ein neuer, stark expandierender Sektor, aber auch ein Beruf, erklärte kürzlich der Chef der französischen Firma Cartier, Alain-Dominique Perrin. Aus diesem Grund hat das Edelunternehmen jetzt eine Schule für Beschäftigte in der Luxusindustrie gegründet. In dem feinen Institut namens „Sup de Luxe Campus“ werden jeweils fünfzig Hochschulabgänger oder bereits in anderen Bereichen tätige leitende Angestellte in Vorträgen und Seminaren von führenden Managern mit den Besonderheiten der Protzbranche vertraut gemacht. Der knapp einjährige Lehrgang schließt mit einer Prüfung ab und ist mit einem Diplom verbunden. Perrin kann einen leichten Anflug von Panik nicht verbergen, wenn er darauf hinweist, daß der Anteil Frankreichs an der Luxusindustrie in den letzten 15 Jahren von 80 Prozent auf rund 50 Prozent zurückgegangen ist. Das ist natürlich schlimm. Hinzu kommt noch, daß Frankreich auch auf dem Gebiet der Mode dabei ist, seine Spitzenstellung zu verlieren.

Der amerikanische Philosoph Henry David Thoreau hat einmal (vor mehr als hundert Jahren) behauptet, Mode sei, wenn der Oberaffe in Paris eine Mütze aufsetzt, und alle anderen Affen auf der Welt tun das gleiche. Die Zeiten sind vorbei. Das wurde auf der IDEGO, der Internationalen Modemesse in Düsseldorf, deutlich, die letzten Mittwoch zu Ende ging. Dort hatten Griechenland, Spanien und die Sowjetunion ihren großen Auftritt mit spektakulären Schauen. Die Länder haben sich anscheinend an ihre alte individuelle Schneiderkunst erinnert und machen sich daran, ein großes Stück vom Modekuchen abzubeißen. Nur die Türken sind noch nicht soweit. Sie verlassen sich leider immer noch auf die Franzosen.

Weil die türkischen Schuhfabriken französische Maße übernommen haben, schmerzen immer mehr Türken die Füße. Das beweist eine Untersuchung der medizinischen Fakultät der Universität von Ankara. Aus genetischen, traditionellen und umweltbedingten Gründen passen türkische Füße nicht in französische Schuhe, meinen die Forscher. Sechs verschiedene Schuhweiten müßten angeboten werden, um jeden Fuß in der Türkei angemessen und gesund zu kleiden, fordern die Mediziner. Das sei allerdings ein wirtschaftliches Problem, heißt es in dem Forschungsbericht, in dem den Schufabriken keine Lösungsmöglichkeit vorgeschlagen wurde. Karl Wegmann