Daimler und Mitsubishi verhandeln
: Weltgipfel der Privatwirtschaft

■ Bis Mittwoch sind die Augen der internationalen Geschäftswelt auf Tokio gerichtet: Daimler-Chef Edzard Reuter trifft sich mit der Leitung von Mitsubishi. Ikako Yamamoto und Georg Blume sprachen mit Yoshio Taniguchi, der bei dem weltweit größten Industriekonzern für die Kooperation verantwortlich ist.

Die Zusammenkunft der Konzerngiganten kann als Premiere in der Weltwirtschaft gelten. Edzard Reuter, Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG, und Gerhard Liener, Daimler-Benz- Vorstandsmitglied, sind zu zweitägigen Gesprächen mit dem Vorsitzenden der Mitsubishi Corporation, Shinroku Morohashi, und seinem ehemaligen Stellvertreter, Yoshio Taniguchi, verabredet.

Nie zuvor haben die Führungen von zwei ähnlich bedeutenden Betrieben im Angesicht der Weltöffentlichkeit über ein Kooperationsprogramm verhandelt, das mehr als hundert gemeinsame Projekte und alle Geschäftsbereiche der Konzerne umfaßt.

Die Gespräche zwischen Daimler und Mitsubishi könnten schon in dieser Woche zu ersten konkreten Vereinbarungen führen. Bereits am Wochenende wurden in Tokio Pläne bekannt, nach denen Mitsubishi Corporation und die Daimler-Benz InterService gemeinsam mit der bisher marktführenden irländischen Flugzeug-Pachtgesellschaft GPA einen Zusammenschluß planen, der ihnen eine weltweite Führungsstellung auf dem Flugzeug-Pachtmarkt einräumen könnte. Vorraussichtlich am Mittwoch wollen beide Unternehmen die Ergebnisse ihrer Verhandlungen in einer gemeinsamen Pressekonferenz mitteilen.

70köpfige Daimler-Delegation in Tokio

Konzern-Chef Edzard Reuter traf am Sonntag an der Spitze einer 70köpfigen Daimler-Delegation in der japanischen Hauptstadt ein. Daimler- Verteter in Tokio betonten noch vor wenigen Tagen, daß eigentlich die für Dienstag geplante Einführung der Daimler-Aktien an der Tokioter Börse im Mittelpunkt des Reuter-Besuchs stehen sollte. Inzwischen überwiegt freilich das Interesse an den Gesprächen mit Mitsubishi. Beide Konzernspitzen haben sich erst ein einziges Mal, unter strikter Geheimhaltung Anfang März in Singapur, getroffen. Vereinbart wurde damals lediglich, die Möglichkeiten einer intensiven Kooperation in den zukunftsträchtigen Segmenten der Luft- und Raumfahrt, Automobilherstellung und Elektronik zu erkunden. Lange Zeit war über den Fortgang der Kontakte nur wenig zu erfahren.

Inzwischen weiß man mehr. Im Gespräch mit der taz gibt der Daimler-Benz-Beauftragte von Mitsubishi, Yoshio Taniguchi, eine ausführliche Einschätzung der Beziehungen zwischen beiden Unternehmen, wie sie der Öffentlichkeit bisher noch nicht vorlag. Deutlich wird, daß Daimler und Mitsubishi nicht nur gemeinsame Tagesgeschäfte planen, sondern an einer strategischen Allianz ihrer Konzerne arbeiten. Die Möglichkeit bietet sich beiden Unternehmen, da sie jeweils über eine sichere Vormachtstellung im eigenen Binnenmarkt verfügen und sich ihre Absatzmärkte im Ausland nur unwesentlich überlappen.

Taniguchi spricht von „Tausenden“ möglicher Kooperationen und sprengt damit den bislang vorstellbaren Rahmen für die Zusammenarbeit mit Daimler-Benz. Er stellt außerdem klar, daß die vier führenden Mitsubishi-Unternehmen (Mitsubishi Corporation, Mitsubishi Motors Company, Mitsubishi Electric und Mitsubishi Heavy Industries) sich für das Geschäft mit Daimler zusammengetan haben — ein einmaliger Schritt in der Nachkriegsgeschichte von Mitsubishi.

Bislang legten die einzelnen Unternehmen der Mitsubishi-Gruppe nach außen hin größten Wert auf ihre immer wieder beteuerte Unabhängigkeit. Das „Daimler-Benz-Projekt“ markiert offenbar eine Wende in der Unternehmenspolitik von Mitsubishi. Nicht nur deshalb wird die Achse Stuttgart-Tokio wohl auch in Zukunft weltweit negative Schlagzeilen machen. Im März hatte der Londoner 'Economist‘ vorgewarnt: „Wenn zwei der weltweit größten Industriegruppen eine Allianz erwägen, ist sicher, daß sie dabei viele Leute unglücklich machen. Wenn das Paar auch noch aus Japanern und Deutschen besteht, dann erst recht.“