Hannah-Katharina soll überzeugen

■ Verkehrssenator Wagner startet PR-Kampagne für Tempo-30-Zonen/ Umsetzung bis nächstes Jahr/ Auch Ostberliner Gebiete sind einbezogen

Berlin. Für sein bereits im Frühjahr vorgestelltes Tempo-30-Konzept will Verkehrssenator Wagner (SPD) jetzt reichlich spät, aber desto intensiver in der autofahrenden Öffentlichkeit werben. Dies soll mit Hilfe von Zeitungsanzeigen, Broschüren, Flugblättern und Aufklebern geschehen. Schon in den kommenden zwei Wochen wird auf Plakatwänden im gesamten Stadtgebiet ein riesiges Poster prangen, das Wagner gestern der Presse vorstellte und das unter der Zeile »Tempo 30 aber sicher« »einen der besten Gründe für Tempo 30« zeigt. Zusammen mit ihrer Freundin ist auf dem Poster die fünfjährige Erstkläßlerin Hannah-Katharina abgebildet, Tochter von Wagners agilem Pressesprecher Rudolf Steinke. Schließlich möchte man das vorrangige Ziel der Verkehrsberuhigung, den Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer, anschaulich demonstrieren. Die beiden Mädchen besuchen beide eine Grundschule in Schmargendorf, wo schon lange mit Tempo 30 verkehrsberuhigt wird.

Mit seinen Plänen zur Einrichtung von rund 490 verkehrsberuhigten Zonen überall in der Stadt kommt der Verkehrssenator freilich weiter nur im Schleichtempo voran. Erst zu 28 Prozent konnte Wagner gestern Planerfüllung melden. Das liege primär an der zögerlichen Umsetzung in einigen Bezirken. Die Anordnungen des Senats selbst, in deren Folge das mit 50 Sachen befahrbare Straßennetz von rund 2.900 auf 735 Kilometer schrumpfen soll, seien weitestgehend getroffen. Besonders in Reinickendorf mit seiner CDU-Dominanz in der BVV »denkt man noch über manches nach, was eigentlich gegessen sein sollte«, so Wagner verschnupft. Auch im gleichfalls bürgerlichen Zehlendorf seien die Verantwortlichen »nicht so schnell, wie wir es gerne hätten«, übte sich der Senator erneut im Schwarzer-Peter- Spiel. Dessenungeachtet geht er davon aus, daß die flächendeckende Ausweisung aller Berliner Wohngebiete als Tempo-30-Zonen spätestens Anfang nächsten Jahres abgeschlossen ist.

Wagner zufolge werden dabei in der Nähe der nun nicht mehr vorhandene Grenze nun auch Ostberliner Gebiete einbezogen. Die erste ostwestliche verkehrsberuhigte Zone wird voraussichtlich um die Wildenbruchstraße herum eingeweiht werden; zwischen Treptow und Neukölln ist nun alles abgestimmt.

Als mit Einschränkungen gelungenes Beispiel einer stadtverträglichen und behutsamen Umgestaltung wurde gestern bei einer Rundfahrt der versuchsweise schon seit 1985 verkehrsberuhigte Bereich um den Kolberger Platz in Schmargendorf präsentiert. Im Ergebnis einer Messung sank dort die mittlere Durchschnittsgeschwindigkeit der Automobilisten von 36,9 auf 29 Stundenkilometer. Allerdings fährt in der Bremszone zwischen Hohenzollerndamm, Berkaer, Breite, Cuno- und Forckenbeckstraße annähernd jeder zweite Blechkutscher immer noch schneller als 30; jeder zehnte kachelt mit Tempi zwischen 40 und 45 Stundenkilometern durch die baulich verengten Fahrgassen. Das kann auch daran liegen, daß der Bezirk teilweise separate Radwege anlegte und die Radler somit nicht den Tritt aufs Gaspedal hemmen. thok