Pommes mit Abgas und Mayo

■ Hans Wurst in allen Gassen: Imbißbuden schießen in Ost-Berlin wie Pilze aus dem Asphalt

Ost-Berlin. »Eene Bulette mit janz viel Senf und einmal Pommes mit Mayo« — Horst K., Maurer von Beruf, hat Hunger. Von seiner Baustelle am Weidendamm ist es nur ein Katzensprung zur Imbißbude an der Friedrichstraße. Zehn Minuten hat er anstehen müssen. Jetzt ist er endlich dran. »Dreisiebzig« nuschelt die Verkäuferin und schiebt ihm sein Mittagessen zu. Horst K. bezahlt und verzieht sich mitsamt dem Menü an einen der runden Stehtische, die direkt am Straßenrand die Stellung halten. Knapp einen Meter neben seinen Pommes brandet der Verkehr. Abgasschwaden aus Bus und Trabis schwängern die Luft. Horst K. macht sich nichts draus. »Dat war noch nie anders«, meint er und zieht Bulettenbröckchen genüßlich durch den Senf.

Der Maurer hat recht. Immer dort, wo in Berlin der Verkehr am dichtesten und der Gestank unbeschreiblich ist, steht garantiert eine Imbißbude. Das gilt seit der Maueröffnung auch fürs Ostberliner Pflaster. Imbißbuden, Snackmobile und Bockwurststände schießen wie Pilze aus dem Boden. Am Bahnhof Friedrichstraße machen sich jetzt schon vier solcher Appetitzügler Konkurrenz. Früher gab es gerade mal eine Wurstbude. »Läuft prima«, meint ein Verkäufer und widmet sich schnell wieder seinen Würsten.

Fünf Kunden haben sich vor seinem Stand zur Wartegemeinschaft vereint. »Ist doch angenehm, so wat Kleinet zwischendurch«, meint ein kleiner, übergewichiger BVG-Angestellter. Seine Stellungnahme klingt verdächtig nach Fernsehwerbung, nur daß er die Bockwurst jenem Schokoriegel vorzieht. Vom Hunger getrieben wirkt am frühen Nachmittag auch ein Großteil der Mitbürger am Alex. »Bei uns ist alles noch selbergemacht«, versichert ein Wurstbrutzler seinen Kunden, und im Gegensatz zu diversen Getränken und Kaugummi in der Auslage sei das Fleisch sogar noch »aus'm Osten«. Westwürste gibt es hingegen einen Imbißstand weiter. Dort hat sich ein westdeutscher Fleischgroßhandel auf Zwiebelfleisch und Fleischspieß spezialisiert. Und das hat seinen Preis. Zwischen drei und fünf Mark müssen Hungrige für einen mickrigen Spieß inklusive Pappteller und Soße löhnen. Dafür gibt es original Plastikbesteck. »Ist doch mal was anderes als immer nur Bockwurst«, meint ein Ostberliner.

Dieser Meinung sind auch die Mitesser an den benachbarten Imbißbuden. Ob West- oder Ostimbiß ist zumeist sowieso nur am Nummernschild der fahrbaren Snackvehikel zu erkennen. »Das Geschäft ist so ungefähr halbe-halbe verteilt« meint eine Verkäuferin an der Janowitzbrücke. Ihr Chef ist gerade dabei, einen Standort für einen zweiten Snack zu organisieren. »Das Geschäft läuft auch mit westlicher Konkurrenz ganz gut.« Und das bis weit hinaus ins Umland: Selbst an abgelegenen S-Bahn-Haltepunkten brutzeln mittlerweile pfiffige Existenzgründer munter vor sich hin.

Und die Konkurrenz beschränkt sich mittlerweile nicht mehr nur auf Fastfood made in Germany. »Döner Kebab, Falafel — drei Mark«, wirbt ein umgebauter Wohnwagen an der Heinrich-Heine-Straße. Auch dort eine beachtliche Warteschlange, während sich im Innern des Wagens munter ein fetter, unansehnlicher Kebabspieß dreht. Qualitätsbewußt scheint hier niemand zu sein. Hauptsache gutes Geschäft und voller Magen. Christine Berger