UMFRAGE
: "Das ist 'ne Schweinerei"

■ Die taz befragte PassantInnen und MahnwächterInnen vor der Stasi-Zentralein der Normannenstraße zur Vernichtung der VolkspolizeiaktenUMFRAGE

Roland Walter (26), Student, Mahnwächter: »Es ist für mich dasselbe Problem wie mit den Akten hier. Diese Akten sind 'n Teil Geschichte. Nun fehlen die Hintergrundinformationen, um welche Akten es sich genau handelt. Aber der damaligen Leiter der Nasi hat ja auch gesagt, daß überaltete Akten, die nicht wichtig sind, vernichtet würden. Welche Akten dann vernichtet wurden, wissen wir ja.«

Ingolf Renner (28), 100-Prozent-Kurzarbeiter, Mahnwächter: »Das ist die gleiche Schweinerei wie hier mit den Stasi-Akten. Ich meine, wenn die Aktion hier nicht wäre, dann hätten wir vielleicht da besetzt. Jetzt müssen wir uns erstmal voll auf diese Sache konzentrieren. Naja, 'n bißchen verarscht fühlen wir uns schon. Aber es sind schon so viele Provokationen auf uns zugekommen, daß man einfach überlastet ist. Im Prinzip sind wir machtlos, denn wir können ja den Leuten nicht einfach die Sachen entreißen. Unser Motto heißt ja immer: Keine Gewalt. Es ist einfach unmöglich, da wirklich was zu unternehmen. Jedenfalls solange der Herr Diestel noch auf seinem Posten ist.«

Maria Görg (49), Programmiererin: »Ich halte das überhaupt nicht für richtig. Damit werden Leute geschützt, die eventuell doch Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Das muß unbedingt alles offengelegt werden. Das ist 'ne Schweinerei gegenüber den Opfern.«

Martina Greser (30), Wirtschaftskauffrau, Mahnwächterin: »Wenn das wahr ist, dann ist es natürlich 'ne riesengroße Schweinerei. Denn da sind ja auch Unterlagen vom 7./8. Oktober dabei, die alle aufgearbeitet werden müssen, damit man endlich feststellt, wer die Anweisungen gegeben hat und damit die Leute zur Verantwortung gezogen werden können. Das wäre überhaupt nicht mehr möglich.«

Martin (20), Physikstudent: »Die VP war Partner der Stasi in vielen Sachen. Und ich kann mir vorstellen, daß da auch 'ne Menge interessanter Akten mit dabei sind. Die müßten mit denen von der Stasi zusammen aufgearbeitet werden.«

Martina Richter (50), Politikerin: »Diese Aktenvernichtung, das scheint mir wieder so'n i-Tüpfelchen zu sein. Da wird jetzt alles liquidiert, was irgend jemanden schuldig spricht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich nicht irgend welche Leute kompetent fühlen könnten, einzuschreiten. Wir können nicht überall unsere Augen haben. Wir passen schon hier auf, aber dort müßten auch Leute sein, die bei der Polizei gelernt haben, die wissen: Wir sind das Volk. Das haben sie doch mitgerufen und sich solidarisiert mit den Besetzern. Da müßten sie doch daran interessiert sein, daß auch 'ne Aufräumarbeit losgehen kann, nachdem wir das ja alles schon so weit gedeihen ließen.«

Stefan (18), Krankenpfleger: »Das ist schlimm. Die sollten genauso aufgearbeitet werden wie diese Akten.«

Herr Reitharig (64), Lehrer: »Wir haben gestern noch demonstriert und ich glaube, es gibt einiges aufzuarbeiten hier, und daran müßten wir schon alle beteiligt sein und alle Materialien zur Verfügung gestellt bekommen.« Interviews: Christel Blanke