Nord und Süd betonten ihren guten Willen

Die UN-Konferenz über die ärmsten Länder endete mit einem Katalog voller guter Absichten/ Nachfolge-Treffen im Jahr 2000  ■ Aus Paris Bettina Kaps

Jeder hilft, soviel er kann oder will. Auf diese Gummiformel einigten sich Industrie- und Entwicklungsländer während der UN-Konferenz über die am wenigsten entwickelten Entwicklungsländer (Least Developed Countries, LDCs) in Paris. Auf der ersten Konferenz über die LDCs im Jahr 1981 hatten sich die Industrieländer zu einem gemeinsamen Ziel von 0,15 Prozent des Bruttosozialproduktes verpflichtet, dies mehrheitlich aber nicht eingehalten. Das nun verabschiedete „Aktionsprogramm für die 90er Jahre“ ist realistischer: Es nennt gar keine einheitliche Formel mehr. Stattdessen werden die Reichen nun in vier Gruppen eingeteilt.

Die skandinavischen Länder und die Niederlande, die großzügigsten Geber, die schon jetzt mehr als 0,2 Prozent ihres Bruttosozialproduktes für die Entwicklung der 41 LDCs ausgeben, verpflichten sich zu weiteren Anstrengungen. Die „korrekten“ Geber, unter ihnen Frankreich und Italien, wollen ihre Hilfe bis zum Jahr 2000 auf 0,2 Prozent des BSP steigern.

Die säumigen Zahler bilden die dritte und größte Gruppe — dazu gehört auch die BRD mit 0,11 Prozent. Diese Länder versprechen, die 0,15 Prozent-Marke bis 1995 zu erreichen. Schlußlichter sind Japan und die USA, die erst bei 0,07 und 0,04 Prozent liegen. Vor allem Washington weigert sich — wie schon 1981 —, ein präzises Ziel zu unterschreiben, und verspricht ganz allgemein, die Hilfsleistung zu steigern.

Dieser Kompromiß ist das Ergebnis von zwölf zähen Verhandlungstagen. Bis in den frühen Samstagmorgen kämpften die Regierungsvertreter aus 146 Ländern um einzelne Formulierungen. Beim Thema Demokratie und Menschenrechte gab es ebenfalls ein Tauziehen. Viele Entwicklungsländer wollten sich hier nicht so genau festlegen lassen. Der bundesdeutsche Delegationsleiter Fritz Fischer aus dem Bonner Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit brachte dann die wirtschaftspolitische Position des Nordens auf den Punkt: „Bevor wir über Hilfe reden, sollen die Entwicklungsländer ihre Rahmenbedingungen ändern.“ Der Süden hingegen hatte andersherum argumentiert: Weil die Rahmenbedingungen so schlecht sind, kann er sich nicht entwickeln.

Im Schlußdokument betonen also Nord und Süd ihren guten Willen. Das Aktionsprogramm beschwört die Stärkung der Industrie und der privaten Wirtschaft. Es verlangt die Beteiligung der Bevölkerung und der Nicht-Regierungsorganisationen. Die Rolle der Frauen für die Entwicklung der armen Länder wird hervorgehoben. Auch dem Umweltschutz sind einige Paragraphen gewidmet. Aspekte wie Abrüstung oder Korruption fehlen jedoch.

Erneut handelt es sich um einen Katalog von Bemühungsklauseln; keine der genannten Ankündigungen und Verpflichtungen ist einklagbar. Ist die Konferenz nun gescheitert? Die Antwort auf diese Frage hängt ganz von den Erwartungen ab, mit denen die Beteiligten nach Paris gekommen sind. Und die waren nach den schlechten Erfahrungen der 80er Jahre bei allen Experten äußerst gering. Bei den Vertretern der Entwicklungsländer herrschte zu Beginn der Tagung vor allem eine Sorge vor, die reichen Länder könnten derart mit der Golf-Krise beschäftigt sein, daß sie die Probleme der Ärmsten nicht einmal mehr ernsthaft diskutieren würden.

Angesichts dieser nüchternen Einstellung äußerten sich viele Vertreter der LDCs nun zufrieden über den Verlauf der Tagung. Da sie einen großen Teil ihrer Forderungen nicht durchsetzen konnten, betonten sie den „Geist“ der Konferenz. „Geber und Nehmer haben versucht, die strittigen Fragen konstruktiv zu lösen“, sagte die Ministerin für Soziales und Frauen und Leiterin der Delegation des Niger, Moumouni Aissata. Darin traf sie sich mit der deutschen Delegation, die den Sinn dieser Mammutkonferenz vor allem im „Atmosphärischen“ sieht.

Ali Liakat, Mitglied der Delegation von Bangladesh, setzt auf Folgekonferenzen. „Wenn beide Seiten ihre Verpflichtungen in den kommenden Jahren ernst nehmen und sie auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene in die Tat umsetzen, dann kann man diese Konferenz nicht als „talk show“ abqualifizieren“, meinte Liakat. Ob die Tagung ein Mißerfolg war, lasse sich erst in ein paar Jahren beurteilen, wenn abzusehen sei, ob die Regierungen in Nord und Süd ihre Versprechungen diesmal wahrmachen. Die Nachfolgekonferenz ist für das Jahr 2000 angesetzt.

Offene Kritik kommt vor allem von den Nicht-Regierungsorganisationen, die die praktische Entwicklungsarbeit vor Ort leisten. Eine Sprecherin von „Terre des hommes“ bezeichnete das Ergebnis der Konferenz als Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner.