OAU — Einheit ohne Macht?

■ Maurice Kamto verteidigt die Nützlichkeit der afrikanischen Organisation INTERVIEW

Seit 27 Jahren gibt es die Organisation Afrikanischer Einheit (OAU), der 51 Staaten sowie die Demokratische Arabische Republik Sahara angehören. Aber abgesehen von den jährlichen Gipfeltreffen hört man nicht viel von dieser Institution. Der Kontinent wird von vielen Krisen geschüttelt, doch die OAU schweigt. Welchen Wert hat diese Staatengemeinschaft?

Maurice Kamto unterrichtet Internationales Recht am Institut für Internationale Beziehungen in Yaounde, Kamerun; das Institut hat Beobachterstatus bei der OAU.

taz: Seit Monaten leidet die liberianische Bevölkerung unter dem blutigen Bürgerkrieg. Der Krieg in Äthiopien währt schon Jahre. Auch der Konflikt zwischen Senegal und Mauretanien scheint hoffnungslos festgefahren. Hat die OAU bei Regionalkonflikten irgendeinen Einfluß?

Kamto: Man muß zwei Arten von Konflikten in Afrika unterscheiden: Konflikte, bei denen sich zwei oder mehr Staaten gegenüberstehen und interne Konflikte einzelner Staaten. Bei zwischenstaatlichen Konflikten hat die OAU regelmäßig interveniert und auch gewisse Erfolge gehabt. Im Fall von Senegal und Mauretanien war der Erfolg allerdings äußerst begrenzt. Wegen der rassistischen Färbung ist dieser Konflikt ganz besonders komplex.

Bei internen Konflikten ist der Erfolg der OAU gering. Für eine zwischenstaatliche Organisation ist es immer schwierig, bei innenpolitischen Konflikten zu intervenieren. Die OAU hat das Prinzip der Nichteinmischung in innere Konflikte der Mitgliedsstaaten in ihrer Charta verankert. Sie bemüht sich in solchen Fällen um Vermittlung durch bestimmte afrikanische Staatschefs, die auf dem Kontinent Gehör finden.

Beim derzeitigen Bürgerkrieg in Liberia kann man allerdings bedauern, daß die OAU als Organisation aufgrund dieses Prinzps von einer offiziellen Stellungnahme vollkommen absieht, denn die Massaker an der Bevölkerung durften niemanden unberührt lassen, weder Staaten noch die kontinentale Organisation.

Denken Sie, daß die OAU an ihrer Ohnmacht bei internen Konflikten künftig etwas ändern kann?

Gewiß nicht in Kürze, denn die afrikanischen Staaten sind noch jung und achten äußerst empfindlich auf ihre Souveränität. Niemand will zulassen, daß man sich in seine Angelegenheiten einmischt.

Welche Bedeutung haben die Resolutionen der OAU? Sind sie nur Papier oder bringen sie Resultate?

Es stimmt, die meisten Resolutionen führen nicht zu konkreten Aktionen. Wichtig ist jedoch, daß aus den Aktivitäten der OAU Regeln und Gesetze entstanden sind. Zum Beispiel die afrikanische Charta der Menschenrechte, die 1980 verabschiedet und von der Mehrheit der Staaten ratifiziert wurde. Das zeigt, daß sich die Staaten den Zielen der OAU verbunden fühlen. Die OAU hat daraufhin eine Menschenrechtskommission eingerichtet, mit Sitz in der gambischen Hauptstadt Banjul, die alle Beschwerden von Staaten, Nichtregierungsorganisationen oder Einzelpersonen entgegennimmt. Der Bericht der OAU-Kommission hat allerdings lediglich moralische Bedeutung, es gibt keine wirklichen Sanktionen.

Die Kommission wurde weder nach den Massakern an Studenten in Zaire angerufen, noch nach dem Blutbad in Liberia. Und auch die aus ihrer Heimat ausgewiesenen Mauretanier haben sich nicht an sie gewandt. Zeigt das nicht, daß die OAU-Menschenrechtskommission ziemlich bedeutungslos ist?

Ich glaube eher, daß die Menschen in den einzelnen Ländern über die Existenz dieser Kommission nicht ausreichend informiert sind. Auch nicht darüber, daß selbst Einzelpersonen sie anrufen können. Es stimmt allerdings, daß die Kommission von den afrikanischen Staaten stark kontrolliert wird. Wenn sie einen Staat verurteilt, wird der Bericht nicht veröffentlicht. Das begrenzt natürlich ihren Einfluß.

Umweltschutzkonvention für Afrika

Welchen Erfolg hatte denn die Resolution von 1988 gegen den Export von Giftmüll aus den Industrieländern nach Afrika?

Diese Resolution hat etwas bewirkt, denn die meisten Staaten haben daraufhin Gesetze erlassen, die das Abladen von Giftmüll verbieten. Selbst Mali und Kamerun haben inzwischen solche Gesetze, die hohe Strafen, teilweise sogar die Todesstrafe vorsehen. Ich halte es sogar für wahrscheinlich, daß die OAU in den nächsten Jahren eine Konvention zum Schutz der Umwelt für ganz Afrika verabschieden wird.

Der Kampf gegen die Apartheid war ein wesentliches Ziel, das die OAU geeint hat. Welchen Anteil hat die OAU daran gehabt, daß die Apartheid jetzt nach und nach abgeschafft wird?

Der Beitrag der OAU im Kampf gegen die Apartheid war bedeutend, vor allem dank ihres Befreiungskomitees, durch das sie der Befreiungsbewegung in Südafrika erhebliche finanzielle Hilfe zukommen ließ, aber auch durch die diplomatischen Aktionen, die dazu beitrugen, daß die Befreiungsbewegung international bekannt wurde. Der Zusammenschluß der Frontstaaten hat der südafrikanischen Befreiungsbewegung geholfen, eine Rückzugsbasis zu finden, wo sich ihre Mitglieder ausbilden lassen konnten. All das ist der OAU zuzuschreiben. Die Resolutionen gegenüber Südafrika, in denen ein Handelsemabargo verhängt wurde, sind allerdings von den meisten afrikanischen Staaten verletzt worden. Das ist bedauernswert.

Finanziell ist es um die OAU nicht gut bestellt, denn viele Staaten zahlen ihre Mitgliedsbeiträge nicht.

Das ist ein ernstes Problem, welches die Aktivitäten der Organisation kompromittiert. Das effektive Budget in diesem Jahr beträgt etwa 21 Millionen Dollar, für eine Organisation mit 52 Mitgliedsstaaten ist diese Summe lächerlich. Die meisten Staaten zahlen nicht, und das schon seit mehreren Jahren. Der Ministerrat hat auf dem letzten Gipfel Sanktionen gegen die Schuldner verlangt. Solange dieses Problem nicht gelöst ist, wird die Handlungsfähigkeit der OAU sehr begrenzt bleiben.

Keine gemeinsame Position zur Demokratisierung

Auf dem letzten Gipfeltreffen Ende Juni wurde zum ersten Mal ein Thema angesprochen, das für die OAU zuvor tabu war. Es war auf einmal von Demokratisierung die Rede. Glauben Sie, daß sich die OAU zu einer gemeinsamen Position in dieser Frage druchringen kann?

Die OAU hat hierzu keinen offiziellen Standpunkt. Der Generalsekretär hat die Demokratisierung der afrikanischen Staaten zwar als wünschenswert bezeichnet, aber dies ist nicht die offizielle Position der OAU. Was die anderen Staaten angeht, so verfolgen sie eine rein nationale Politik. Jeder Staatschef hütet sich, Lektionen zu erteilen. Die Präsidenten betrachten das Thema Demokratisierung als rein nationales, innenpolitisches Thema.

Halten Sie die OAU für eine erfolgreiche und nützliche Institution?

Gewiß ist die OAU an einigen wichtigen Fragen gescheitert und ihr Schweigen läßt sie manchmal als überflüssig erscheinen. Eine Schwäche ist, daß sie Staatschefs akzeptiert, die sich an die Macht geputscht und fürchterliche Blutbäder angerichtet haben. Falls Rebellenführer Charles Taylor in Liberia die Macht ergreift, kann er sofort an den Aktivitäten der OAU teilnehmen. Verglichen mit den anderen regionalen politischen Staatengemeinschaften wie der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) oder dem Verband Südostasiatischer Nationen (Asean), ist die OAU eine der aktivsten Organisationen und hat am meisten für den Kontinent getan. Man muß eine Institution an ihren Zielen messen. Die OAU ist eine zwischenstaatliche und keine supranationale Organisation, ein Zusammenschluß souveräner Staaten. Daher sind ihre Vollmachten sehr gering. Mit diesem Minimum an Befugnissen hat sie getan, was sie tun konnte. Darum ist die Bilanz positiv. Interview: Bettina Kaps

Maurice Kamto ist Co-Autor des Buches Die OAU: Retrospektive und afrikanische Perspektiven. (Kamto/Pondi/Zang: L'OUA: Rétrospective et Perspectives Africaines, Paris 1990)