Birmas Militär denkt nicht an Übergabe

■ Vor zwei Jahren haben die birmesischen Militärs der Demokratiebewegung ein Ende gesetzt/Birmaspezialist Martin Smith zur Lage INTERVIEW

taz: Was ist aus den Versprechungen der Armee geworden, mit den Wahlen den Übergang zu einem demokratischen System einzuleiten?

Martin Smith: Die National League for Democracy (NLD) hat bei den Wahlen im Mai eine solch überwältigende Mehrheit erzielt, und dies während ihre prominentesten Strategen Aung San Suu Kyi und Tin Oo unter Hausarrest standen, daß man in den letzten Monaten sehr gespannt war, wie die Machtübergabe nun vonstatten gehen sollte. Anstatt aber entsprechende Schritte einzuleiten, ist die Junta gerade dabei, auch die zweite Garde der NLD-Führung festzusetzen. So wurde Kyi Maung, der zunehmend an Bedeutung gewonnen hatte, vergangene Woche festgenommen. Schon als Ne Win 1962 die Macht ergriff, war Kyi Maung Mitglied des damaligen Revolutionsrates, also ein alter Genosse des Ex-Diktators, der aber noch immer hinter den Kulissen des amtierenden Saw Maung mitspielt. Die NLD hat sich um einen Mittelweg zwischen Armee und dem Volk bemüht. Leute wie Ex-General Tin Oo und Kyi Maung stehen für die politische Glaubwürdigkeit der NLD. Tatsache ist allerdings, daß die Junta nicht einmal davor halt macht, ihre eigenen Männer auszuschalten. Tin Oo wurde bereits zu drei Jahren Zwangsarbeit verurteilt, weil er das Verteidigungswesen unterwandert haben soll.

Wie sah denn das politische Programm der NLD nach den Wahlen aus?

Die Militärs bestimmen derzeit die Spielregeln. Keiner vermag einzuschätzen, was der sogenannte Rat zur Wiedereinführung der Demokratie SLORC im Schilde führt. Nach den Wahlen hieß es, das gewählte Gremium sei lediglich eine verfassunggebende Versammlung, aber kein Parlament. Die NLD hatte immerhin 80 Prozent aller Sitze gewonnen. Im Einvernehmen mit kleineren Parteien, wie jenen der ethnischen Minoritäten, hat sie die Regierung aufgefordert, bis Mitte September die Macht zu übergeben und Aung San Suu Kyi freizulassen. Da aber die Verhaftungen der politischen Führer nur wenig internationalen Druck hervorriefen, ist die NLD auch paralysiert.

Wie reagieren die Studenten, die sich nach der äußerst blutigen Niederschlagung ihrer Demokratiebewegung zu den ethnischen Minoritäten geflüchtet haben, und die birmesische Bevölkerung?

Eine enorme Frustration hat sich breit gemacht. Die geflüchteten Studenten in den Grenzgebieten haben erkannt, daß ein Umsturz mit der Waffe in der Hand nicht von heute auf morgen zu erreichen ist. Viele von ihnen sind schwer erkrankt und leben unter miserablen Bedingungen. In den Städten sind die Universitäten und Institutionen höherer Bildung seit zwei Jahren geschlossen. Die Menschen in Rangoon mögen geglaubt haben, daß es eine friedliche Lösung geben kann. Obwohl die Menschen wissen, daß die Militärs von ihren Waffen auch Gebrauch machen, gab es Demonstrationen in Mandalay und einigen Städten im Norden des Landes. Die Situation ist gespannt.

Haben die Sanktionen der internationale Gemeinschaft Wirkungen gezeitigt?.

Obschon Birma von den Vereinten Nationen kritisiert wurde und die Einstellung aller Entwicklungshilfe erfolgte, konnte sich das Reggime über Waser halten. Der Handel mit Thailand floriert und China ist ebenfalls zur Stelle. Das Regime erwirtschaftete immerhin genug um in den vergangenen zwei Jahren die Truppenstärke um 50.000 Mann auf 250.000 aufzustocken. Ein wirksames Handelsembargo brächte die Militärs gewiß in Verlegenheit. Inzwischen werden allerdings wieder Überlegungen angestellt, die diplomatische Isolation zu brechen, um so auf eine Demokratisierung hinwirken zu können.

Gibt es Konflikte innerhalb der Armee?

Laut Propaganda ist die Armee die einzige verläßliche Kraft im Lande. Von wenigen Abtrünnigen abgesehen, gehorcht sie de facto noch immer ihrem Mentor Ne Win. Erst mit dem Tod des 79jährigen könnte es zu einem Machtkampf kommen.

Interview: sl

Von Martin Smith erscheint 1991 im Londoner zed Press Verlag „Burmese Insurgency and Politics of Ethnicity“.