Verwirrspiele um Richter in der DDR

■ Für Ostberliner Richter gilt nach dem 3. Oktober eine andere Regelung als für die künftigen DDR-Länder

Berlin (taz) — Arbeiten die DDR- Richter nun nach dem 3. Oktober weiter oder nicht? Die 'Frankfurter Rundschau‘ und die Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach, sagen nein. Der neue DDR-Justizminister, Manfred Walther (CDU), protestiert: „Die Rechtsprechung geht auch nach dem 3. Oktober mit DDR-Richtern weiter.“ Walther beruft sich auf den Beschluß der Volkskammer, der besagt, daß alle Richter der DDR solange Recht sprechen, bis die Richterwahlausschüsse getagt haben.

Die Verwirrung ist unendlich, die Spannung steigt, aber nur um sich in Wohlgefallen aufzulösen: Alle haben Recht. Wie könnte es anders sein, wenn es um Richter geht? Alle Richter der DDR-Länder können auch nach dem Beitritt zur BRD arbeiten, bis ein Richterwahlausschuß entscheidet. Das gilt aber nicht für Ost-Berlins Richter, für die eine Sonderregelung ausgeheckt wurde.

„Weil es nicht möglich ist, daß innerhalb einer Stadt zwei Gerichtssysteme bestehen,“ erklärt Cornel Christofel, Pressesprecher der Westberliner Senatsverwaltung für Justiz „werden zunächst alle Gerichte in Ost-Berlin geschlossen.“ Statt dessen werden fünf Amtsgerichte nach Westmuster gestrickt. Die Sonderregelung für Berlin, so Christofel, wurde in Zusammenarbeit und mit Zustimmung des Justizministeriums der DDR erarbeitet. „Warum Minister Walther sich jetzt empört ist mir unverständlich.“

Als „unvertretbaren Härtezustand“ bezeichnet Walther die Berliner Regelung inzwischen. Die Ost- Parlamentarier seien schuld, daß ein Richterwahlausschuß nicht zustande gekommen sei, Richter hätten sich gefunden, so Walther. Die Ostberliner Juristen hätten sich nämlich selbst vor dem „Wartestand“ mit auf 70 Prozent reduziertem Gehalt bewahren können, wenn schon vor dem Beitritt die Überprüfung der gefällten Urteile und Neuwahl in Gang gekommen wäre. „Mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“, so Christofel, droht ihnen jetzt die Zwangspause.

Und die könnte länger dauern: Das Prozedere der Richterwahl ist außerordentlich langwierig und kompliziert. Auf die Bewerbung der Richter bei den Bezirksgerichten, folgt eine Fragebogenaktion des Senats, ein Überprüfungsverfahren der Urteile. Danach tagt der Präsidialausschuß der aus Richtern besteht. Schließlich und endlich wählt der Richterwahlausschuß — oder auch nicht — den neuen alten Richter für drei Jahre auf Probe. Der Berliner Wahlausschuß besteht aus sechs Abgeordneten und sechs Richtern und muß nach dem 2. Dezember neu gebildet werden. Das wird die Richterwahlen wohl kaum beschleunigen. Karin Mayer