Bis zum Jahresende Diät

■ Bonn und Ost-Berlin beenden Beratungen über Einigungsvertrag/ Verständigung über Abgeordnetenbezüge und Stasi-Akten/ „Verträgliche Regelungen“ für Volkskammerabgeordnete

Bonn (adn/afp/taz) — Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und DDR-Staatssekretär Günther Krause haben am Montag in Bonn dem Einigungsvertrag den letzten Feinschliff gegeben. Wie dazu schon am Vormittag aus der Bundeshauptstadt verlautete, ging es um „sozial verträgliche Regelungen“. Für jene Volkskammerabgeordneten, die nach dem 3. Oktober in keinem Parlament — weder im Bundestag, noch im Europäischen Parlament, noch in den neuen DDR-Landtagen — mehr sitzen, sollen noch bis zum Jahresende ihre Diäten weiter erhalten. Das bescheidene Gehalt von etwa 3.600 Mark wird in einer Übergangszeit von drei Monaten weitergezahlt. Andere Bezüge sollen von diesen Leistungen abgezogen werden. Wenn die Volkskammerabgeordneten auch nach am Jahresende noch keine neue Stelle gefunden haben, sollen sie weitere drei Monate lang 70 Prozent der Bezüge bekommen. Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann- Pohl hatte sich noch kurz vor Toresschluß nicht gerade der Sorgen des DDR-Volkes, wohl aber der der Volksvertreter in der DDR angenommen und in einem Brief an Innenminister Schäuble diskret angefragt, ob man denn auch mit „vernünftigen Übergangsregelungen“ für diesen Personenkreis rechnen könne. Ansonsten sei das Schicksal des gesamten Einigungsvertrags in der Volkskammer unsicher.

Obwohl dem amtierenden Parlamentsoberhaupt von der FDP- Volkskammerfraktion am Montag bescheinigt wurde, mit dem Vorstoß „das öffentliche Ansehen des ersten und letzten frei gewählten Parlaments der DDR ramponiert“ zu haben, gibt es nach Angaben von BRD- Regierungssprecher Vogel für die 256 ausscheidenden Abgeordneten nun tatsächlich eine finanzielle Übergangsregelung, sozial verträglich und zudem vertraglich abgesichert. Zumindest sie können den Versicherungen ihres Ministerpräsidenten weiter vertrauen. Die FDP- Fraktion sprach Frau Bergmann- Pohl die „erforderlichen Qualitäten für ein hohes Staatsamt im vereinten Deutschland ab“. Ihr Vertrauensvorschuß sei restlos aufgebraucht. Die SPD-Ost verlangte den sofortigen Rücktritt von Frau Bergmann- Pohl. Kanzler Kohl denkt da ganz anders. Ein Ministeramt in seiner Regierung ist der CDU-Politikerin sicher.

Neue Hoffnungen für die sozial Schwachen in der Noch-DDR? Mit dem Blick auf den 1. Januar 1991 will das Wahlvolk in der DDR nicht mehr so recht der Versicherung von Ministerpräsident Lothar de Maizière und Bundeskanzler Helmut Kohl glauben, keinem werde es nach der Vereinigung schlechter gehen. Anstehende Tariferhöhungen bei Bahn, Post und bei vielen anderen Dienstleistungen, vor allem aber Mietsteigerungen in bisher nicht geahnten Dimensionen lassen für Rentner, Arbeitslose, Kurzarbeiter und Vorruheständler das Schlimmste befürchten. Was die Stasi-Akten anbetrifft, sollen DDR-Bürger zwar Einsicht in ihre Akte bekommen, aber nur dann, wenn damit nicht „schutzwürdige Interessen Dritter“ verletzt werden. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und DDR-Staatssekretär Günther Krause sind sich einig, den Betroffenen „sobald wie möglich“ Auskunftsrecht über ihre eigene Akte einzuräumen. Nachrichtendienste sollen grundsätzlich keinen Zugriff auf die Akten erhalten. Neben dem neuen Sonderbeauftragten, der voraussichtlich am Donnerstag vom DDR-Parlament bestimmt und dann von der BRD-Regierung bestätigt wird, sollen weitere Beauftragte der fünf DDR-Länder eingesetzt werden. Die Regelungen sollen in einer Zusatzvereinbarung in den Einigungsvertrag aufgenommen werden. Der Bundestag berät am Donnerstag abschließend über das Vertragswerk, der Bundesrat am Freitag.