Das Leid vom Lied

■ Niederdeutsche Dichtertagung in Bad Bevensen

„Plattdüütsch Leed“ war das Motto der 43. Jahrestagung niederdeutscher Dichter und Autoren in Bad Bevensen am letzten Wochenende. Das im Hochdeutschen doppeldeutige Motto der Tagung macht nachdenklich. Es kann sowohl „plattdeutsches Lied“ als auch „plattdeutsches Leid“ heißen. Und so war es wohl auch zu verstehen: Das Leid des plattdeutschen Liedes.

Das fing bei der Verleihung des Bad-Bevensen-Preises an das Dragseth-Duo aus Husum an. Der Eindruck, daß es sich um eine Verlegenheitsauszeichnung mangels besserer Vorschläge handelte, war im Publikum sehr verbreitet — auch wenn das bei solch feierlichem Anlaß nicht laut gesagt wird. Es bestätigte sich der Vorwurf der Plattenindustrie und der Medienfunktionäre, daß die etablierte plattdeutsche Liedermacherschaft zwar musikalisch manchmal recht gut, das Vorgelegte aber häufig eintönig und einfallslos sei, sprachlich oft geschludert und im ganzen sich saturiert gebe. Daß das auch anders sein kann, bewiesen am folgenden Tag beispielhaft zwei Gruppen, die leider nicht zu den Etablierten zählen: „Leederborn“ aus Wismar, Mecklenburg und „Lorbaß“ aus Schleswig-Holstein. Sie zeigten, daß das plattdüütsch Leed nicht unbedingt Leid heißen muß.

In den einzelnen Veranstaltungen der Tagung wurden sehr verschiedene Projekte vorgestellt und zum Teil recht kontrovers diskutiert. Zum Beispiel „15 Jahre 'Folk-Alternative Strackholt/Ostfriesland'“ und aus Hamburg eine Sammlung von Liedern, wie sie das Volk wirklich gesungen hat — bis hin zum „Schweinischen“ (Jochen Wiegand) —, aber auch die Erarbeitung eines plattdeutschen Gesangbuches für Kirchen. Der Vorwurf völkisch-konservativer bis reaktionärer Eintönigkeit, der in früheren Jahren berechtigt gewesen sein mag, läßt sich so nicht aufrechterhalten.

Zentrales Ereignis war ein Streitgespräch über den von Radio Niedersachsen noch unter Smily Albrecht ausgeschriebenen Wettbewerb „Lieder — so schön wie der Norden“. Ziel sollte sein, der Dominanz süddeutscher Mundarten in der U-Musik entgegenzuwirken. Es stritten Wilfried Knauer als Vertreter der niedersächsischen Staatskanzlei — er konnte einem leid tun für das, was er da vertreten mußte, es war ihm offenbar selbst peinlich — und Johannes Diekhoff aus Aurich.

Nahezu einstimmiges Urteil: Die prämierten Ergebnisse des Wettbewerbs sind plattdeutsches Leid: Leeder, so platt as de Sachverstand vun de Jüri. Berni Kelb