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Perestroika bringt Schwung in Partnerschaft

■ Deutsch-sowjetische Gesellschaft will Kontakte zu Riga intensivieren — allein es fehlt das Geld

Mauern stürzen ein, Grenzen werden durchlässiger, Drushba- Rufe hallen von Moskau und Politiker liegen in Umarmungen. Die Krönung Deutsch-Sowjetischer Annäherung: Der am 13.September abgeschlossene „umfassende Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit“. Konrad Kunick, Vorsitzender der Deutsch-Sowjetischen Gesellschaft in Bremen, ist begeistert: „Also für uns ist der Vertrag ein riesiger Durchbruch. Er macht all das möglich, was wir schon seit Jahren verfolgen.“ Keiner in der Gesellschaft hat jedoch mit so schnellen Fortschritten gerechnet. „Da kann sich jetzt viel entwickeln“.

Ein mehr oder weniger reger Kultur-und Erfahrungsaustausch mit der Bremer Partnerstadt Riga (Lettland) existiert zwar schon seit Jahren. Doch viele geplante Projekte wanderten immer wieder in die Schublade. Das soll jetzt alles ganz anders werden, hofft Kunick. So bestünde zum Beispiel seit zwei Jahren das bisher ungenutzte Angebot Bremens, etwa 100 russische Bibeln nach Riga zu senden. Oder, auf dem Gebiet der Stadtsanierung und des Städtebaus, die Möglichkeit, Kontakte zwischen Architekten beider Städte auszubauen.

Das Interesse auf beiden Seiten jedenfalls wächst beständig. „In der letzten Zeit haben wir eine Reihe von neuen Mitgliedern dazugewonnen“, freut sich auch Rudolf Sonnet. Er ist Ehrenvorsitzender der Gesellschaft und gleichzeitig derjenige, an dem zur Zeit die Hauptarbeit hängenbleibt. Stolz wühlt er in einem Berg von Akten und Dokumenten, die Zeugnis für die zähe Kleinarbeit hinter offiziellen Kulissen sind. Zwischen ihnen eine Urkunde in russischer Schrift: „Für Ihr Engagement für die Sache der Freundschaft“. Sonst liebt er Auszeichnungen nicht, aber in diesem Falle..

Seine persönliche Motivation sich auch als Rentner immer noch um alles zu kümmern? „Das hat wohl mit meinen Fronterfahrungen als Soldat zu tun. Als wir damals beim Rückzug durch die ganzen verbrannten Dörfer kamen, fand ich das einfach furchtbar und fühlte mich verantwortlich“. Dabei ist es geblieben für ihn. Die Arbeit, worunter auch das müselige Erstreiten von „Blitzvisa“, oder die Herstellung der Zeitschrift „Kontakte“ und das Organsieren von Ausstellungen gehört, nennt er „Volksdiplomatie“.

Schwierigkeiten gibt es trotz Veränderungen, oder gerade deswegen, noch genügend. Eine davon ist die unterschiedliche Organisationsform hüben und drüben. Hüben, d.h. in Bremen, Cuxhaven und der Gemeinde Stuhr, arbeiten inzwischen 350 ehrenamtliche Mitglieder. Drüben ist man oft mit „Apparatschiks“ konfrontiert, die bezahlt werden. „Dadurch hatten wir es in der Vergangenheit manchmal mit recht unbeweglichen Partnern zu tun gehabt, die sich ihre Ideen oft noch in Moskau bei der übergeordneten Freundschaftsgesellschaft SSOD holten“. Inzwischen brechen auch diese Strukturen mehr und mehr auf. Aber eben nicht von heut auf morgen.

Nachdem der Oberste Sowjet der Lettischen Republik im Mai eine Unabhängigkeitserklärung verabschiedet hat, soll sich nun auch die Arbeit der Freundschaftsgesellschaft in Riga verändern. Geplant ist, daß die Kontakte zu Bremen selbstständig und mit eigenen Haushaltsmitteln abgewickelt werden. Gelder erhoft man sich von Sponsoren, Mitgliedern und Privatpersonen.

In Bremen geht man indessen auf Nummer sicher. „Da wir in Zukunft mit dem Auseinanderbrechen von Republiken, Regionen und autonomen Gebieten rechnen, konzentrieren wir uns jetzt erst mal auf den Ausbau von Direktbeziehungen zwischen Städten und Gemeinden“, erklärt Sonnet. Das könne er sich so ähnlich wie bei den Beziehungen zu Frankreich vorstellen.

Ein Projekt, was man sich für die nächste Zeit vorgenommen habe, sei der Austausch von Berufsschülern. Schiffsbauer zusammen mit ihren Lehrern und Ausbildern sollen das Politechnische Institut in Riga besuchen. „Gerade solche Austausche halte ich für sehr wichtig, dadurch bekommen auch mal andere Bevölkerungsgruppen Begegnungsmöglichkeiten und nicht nur die Gymnasiasten.“ Außerdem wolle man das am 7.September in Riga gegründete Deutsche Kulturhaus mit Material und Lehrkräften unterstützen. Wie die Gesellschaft an Gelder von Seiten der Stadt herankommen könnte, weiß jedoch zur Zeit keiner. „Durch die Situation in der DDR wird wohl erst mal Ebbe sein mit der Unterstützung“, ist die etwas pessimistische Schlußfolgerung von Rudolf Sonnet. Birgit Ziegenhagen

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