Metallangestellte werden politisch

■ Gehaltsrahmen-Tarifvertrag läßt Angestellte in die Gewerkschaften strömen

„Bis zu 1.300 Mark monatlich“ wollen die Metallarbeitgeber die Gehälter ihrer Angestellten kürzen, teilte die Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) gestern der Presse mit. Wie das?

Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Metallarbeitgebern gibt es seit dem 1. Januar einen neuen Gehaltsrahmentarifvertrag für die rund 30.000 Angestellten in der Bremer Metallindustrie. Durch ihn werden Stellen nach ihrem konkreten Arbeitsinhalt neu definiert und gehaltlich eingruppiert. Bis zum 15. September mußten die Arbeitgeber ihren Angestellten ihre neuen Gehaltsgruppen mitteilen. Und dabei, so die DAG, hätten die Arbeitgeber „aus dem Bauch heraus gehandelt“ und Eingruppierungen vorgenommen, die den tatsächlichen Tätigkeiten nicht entsprächen.

Widersprüche sind bis zum 20. September bei den Betriebsräten einzureichen. Und die hagelt es jetzt. Denn die Arbeitgeber, so die DAG weiter, hätten „fast ausnahmslos abgruppiert“ und Gehaltsverluste durch „Ausgleichszulagen“ aufgefangen. Die haben aber einen Haken: Bei kommenden Tarifverhandlungen können sie angerechnet und auf diese Weise zu einer Gehaltsverkürzung — DAG: „bis zu 1.300 Mark“ — mutieren. „Die Leute sind enttäuscht und empört“, so Hartmut Frensel von der DAG in Bremen, „Dienst nach Vorschrift wird in den Betrieben diskutiert“.

Daß in den Betrieben eine große Unruhe ausgebrochen ist, bestätigt auch Manfred Muster von der IG-Metall. In manchen Betrieben werde es 100 Prozent Einsprüche geben: „Dann müssen sich die Arbeitgeber wieder mit den Betriebsräten an einen Tisch setzen“, so Muster, „wir sind gut vorbereitet“. Es sei eine Heidenarbeit, sieht Muster kommen, jeden einzelnen Widerspruch zu bearbeiten. Aber auf diese Weise kämen sie zum ersten Mal an die „Dikrepanz zwischen Aktenlage und Faktenlage“ heran, sprich: an realistischere Eingruppierungen. Denn einige wenige seien je nach Goodwill der Arbeitgeber jahrelang zu hoch dotiert gewesen. Und noch wichtiger: Auf der anderen Seite gäbe es endlich eine Chance, willkürliche Unterbezahlungen, beispielsweise bei Frauen, zu unterbinden. Die Angestellten, so Muster, legen jetzt zum ersten Mal ihre Gehaltsabrechnungen offen auf den Tisch, um darüber zu reden. „Eine tolle Entwicklung“, findet Muster. Beate Ramm