Erst Atlanta — dann Berlin?

■ Die Entscheidung des IOC für Olympia 1996 in Atlanta (USA) statt in Athen macht die Olympischen Spiele in Berlin zur Jahrtausendwende wahrscheinlicher/ Walter Momper und Tino Schwierzina jubeln, die AL bremst noch

Tokio/Atlanta/Berlin. Cola statt Retsina: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) entschied sich gestern in Tokio für Atlanta (USA) statt Athen als Ausrichter von Olympia 1996. Damit sind die Chancen für Olympische Spiele in Berlin im Jahr 2000 gestiegen, denn die dreimalige Austragung der Spiele in Europa (Barcelona, Athen, Berlin) wäre von der Olympischen Internationale nur ungern gesehen worden. Prompt wurde gestern also nicht nur in Atlanta, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Georgia, aufs heftigste gejubelt.

Auch die beiden Chefs der zukünftigen deutschen Hauptstadt freuten sich gestern unverhohlen über die Entscheidung. Natürlich erst nachdem sie vorher pflichtschuldigst Athen bedauert und der Coca- Cola-Stadt (Zentrale des Getränkegiganten und Hauptsponsors) gratuliert hatten: »Das Rennen für Olympia 2000 wird jetzt eröffnet. Wir haben von Anfang an gewußt, der internationale Wettbewerb wird sehr hart. Wir haben uns darauf eingestellt.«

National und kommunal begrüßten auch die Sportfunktionäre mit Krokodilstränen die Entscheidung Dollar (Atlanta) gegen Tradition (Athen). Die deutschen IOC-Mitglieder Willi Daume (West) und Günther Heinze (Ost) sahen ebenfalls in ersten Stellungnahmen Berlin nun auf einem besseren Startplatz und mahnten zu mehr Tempo bei der Bewerbung. Der Chef des Westberliner Landessportbundes, Richthofen, und der Präsident des Deutschen Sportbundes, Hansen, sprangen bei. Hansen: »Ich würde es nicht ausschließen, daß Berlin in den Köpfen der IOC-Mitglieder bereits bei der Atlanta-Vergabe eine Rolle gespielt hat.« Tempo, Tempo, Fakten schaffen und fleißig werben, das ist nun der gute Rat der Funktionäre an Berlin. Zurückhaltend äußerte sich DDR-Sportministerin Cordula Schubert. Sie wollte zu Berlin nichts sagen: »Weil ich mich ja im Ruhrgebiet auch noch sehen lassen will.«

Richtig so. Denn auch der Ruhrpott reagierte sofort: Der dortige »Arbeitskreis Olympia« verwies erneut darauf, daß das Ruhrgebiet im Wettbewerb mit Berlin »aus dem Stand heraus ohne immense Investitionen« Olympische Spiele durchführen könne. Zudem sei die Reputation der Region »durch die erfolgreiche Durchführung vieler Weltund Europameisterschaften sehr groß«.

Mit dem innerdeutschen Rennen wird nun auch der Druck in der rot- grünen Koalition in West-Berlin steigen. Denn während Momper, die SPD-Fraktion und das Olympiabüro jetzt mit Riesenschritten loslegen wollen, tritt die AL noch auf die Bremse. Die kleine Regierungspartei will — bevor Millionen ausgegeben werden — für eine ausführliche parlamentarische Debatte über das Olympiakonzept sorgen. Man wolle »die Beschleunigung nicht einfach so mitmachen«, sagte AL-Sportsprecher Statz gegenüber der taz. Ein gleichzeitiger Ausbau Berlins zur Haupt- und Olympiastadt drohe eine »demokratische Planungskultur« zu überrollen. AL-Sportstaatssekretär Kuhn plädiert sogar dafür, die endgültige Entscheidung über die Bewerbung erst von der am 2. Dezember neu gewählten Gesamtberliner Regierung fällen zu lassen — untragbar für Momper und das Olympiabüro, das eine Entscheidung noch in dieser Legislaturperiode fordert. Ein Anzeichen für den Olympiadissens in der SPD-AL-Koalition ist auch das Verschieben der Senatsentscheidung über die Olympia GmbH (Etat: 43 Millionen Mark). Sie sollte eigentlich gestern fallen und wurde auf nächsten Dienstag vertagt. kotte

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