Japanischer Rückzug

■ US-Wertpapiere bringen nicht mehr die gewohnten Zinsen/ Bush-Administration steckt im Dilemma YENSEITS DER WALL STREET

Washington (taz) — Japans institutionelle Investoren scheinen in diesen Tagen lieber die deutsche Wiedervereinigung als das amerikanische Haushaltsdefizit finanzieren zu wollen. Zum ersten Mal seit 1982 führte das Anlageverhalten japanischer Großanleger im ersten Halbjahr 1990 zu einem Nettoverkauf von US-Staatsanleihen — 8,9 Milliarden Dollar waren es.

Damit deutet sich eine grundsätzlich veränderte Investitions- Strategie der japanischen Investoren an, die die 80er Jahre hindurch 30 bis 40 Prozent der angebotenen US-Staatsanleihen gegenzeichneten. Mit den Nettoverkäufen von US-Wertpapieren haben vor allem japanische Versicherungskonzerne und andere Großanleger ihre beträchtlichen Verluste an der Tokioter Börse ausgleichen wollen. Das erstmalige Negativ-Saldo reflektiert darüber hinaus die schwindende Attraktivität amerikanischer Schatzbriefe, weil sich die Zinsraten zwischen Tokio und New York angleichen.

Wenn die in den USA beginnende Rezession den Dollar im Vergleich zum Yen weiter sinken läßt, wird sich dieser Trend zum japanischen Investitionsrückzug aus den USA noch weiter verstärken. Für die Anleger ist es interessanter geworden, ihre Yen auf die sich rasch integrierenden und expandierenden Finanzmärkte Europas zu werfen. Das Volumen japanischer Aktivitäten im ersten Halbjahr 1990 hat sich in Frankfurt verdoppelt und in Paris gar vervierfacht.

Die japanische Investionsunlust jenseits des Großen Teiches stellt die Finanzbehörden der Bush-Administration vor ein Dilemma. Um für die japanischen Investoren wieder attraktiver zu werden, müßten sie die Zinsraten erhöhen, was dagegen zu Hause zu einer Vertiefung des gerade einsetzenden Abschwungs führen würde, einer Rezession, die sich die USA eigentlich gar nicht leisten können (siehe taz vom 18.9.). Am Ende wird sich die Zentralbank deswegen wohl für eine Senkung der Zinssätze entscheiden müssen. Die Zeiten, in denen Amerikas astronomische Haushaltsdefizite mit Hilfe aus Tokio problemlos zu finanzieren waren, dürften dann endgültig vorbei sein. Rolf Paasch