Weltkindertag: Strafe für Prügel verlangt

■ 27 Organisationen setzten sich für die Änderung des Züchtigungsparagraphen ein/ Niedersachsens Frauenministerin und Justizministerin kündigen Bundesratsinitiative an/ Gesetzesänderung bei Eltern unbeliebt: 55 Prozent halten sie für unnötig

Berlin (taz) — Als Erziehungsmaßnahme ist sie schon lange nicht mehr salonfähig: die Prügelstrafe. Im Kinderzimmer sieht das oft anders aus. 37 Prozent von 2.000 repräsentativ befragten Eltern bekannten sich in einer Umfrage dazu, Prügel gezielt und mit bestem Gewissen als Erziehungsmaßnahme einzusetzen. Wer von seinen Eltern geprügelt wurde, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage, neigt eher dazu, bei Kindern handgreiflich zu werden. Das Bürgerliche Gesetzbuch erklärt seit der Reform des Familienrechts 1980 „entwürdigende Erziehungsmaßnahmen für unzulässig“. Dem Kinderschutzbund und der Kinderschutzkommission im Bundestag ist diese Formulierung zu schlapp. Der „Züchtigungsparagraph“ soll geändert werden: „Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen, insbesondere körperlich und seelisch verletzende Strafen, sind unzulässig.“ Die größte konzertierte Kinderschutz- Aktion, die es bisher in der Bundesrepublik gab, nämlich insgesamt 27 Verbände und Organisationen, setzten sich dafür ein.

„Nach einer anhaltenden Diskussion über Gewalt gegen Kinder ist die Zeit jetzt reif für ein ausdrückliches Verbot der Prügelstrafe“, erklärt Gabriele Wiechert-Dreyer, Pressesprecherin des Kinderschutzbundes in Hannover. Kein Ruf nach Strafe, sondern nach einem neuen gesellschaftlichen Bewußtsein. Auf die Situation von Kindern wolle man anläßlich des morgigen Weltkindertages aufmerksam machen.

Die niedersächsische Frauenministerin Waltraud Schoppe und die Justizministerin Heidi Alm-Merk haben anläßlich dessen eine Bundesratsinitiative angekündigt und setzten sich für eine Reform des Züchtigungsrechts ein. Auf der Tagesordnung der wöchentlichen Kabinettssitzung in Hannover steht das Thema erst nächste Woche, „weil sich die Tagesordnung nicht nach dem Weltkindertag richtet“, sagte die Pressesprecherin der Frauenministerin, Ulrike Petzold, dazu.

Niedersachsens Ministerpräsident habe „Zustimmung signalisiert“. Das Kabinett muß die Bundesratsinitiative absegnen, die Schröder dann im Bundesrat vortragen wird. Aber nichts Genaues weiß man nicht. Seit fast zwanzig Jahren arbeitet der Kinderschutzbund an der Änderung des Prügel-Paragraphen. „Vor zehn Jahren waren die Politiker noch nicht soweit“, begründet Gabriele Wiechert-Dreyer die zögernde Entwicklung im Familienrecht. Ein Eingriff in das Elternrecht sei ein heißes Eisen gewesen, an das keiner rühren wollte.

Gesellschaftlich verpönt ist die Prügelstrafe zwar, so daß sich Gegner der Gesetzesinitiative nicht laut artikulieren. Die Eltern-Umfrage besagt, daß 55 Prozent ein neues Gesetz für unnötig halten, nur 43 Prozent waren für ein Verbot der Prügelstrafe. Karin Mayer