Unsicherheit für Ausländer

■ Pressemitteilung von terre des hommes/ Afrikareferat DOKUMENTATION

Die Wende zur Demokratie in der DDR bedeutet für die 170.000 dort lebenden Ausländerinnen und Ausländer wachsende Unsicherheit. Hiervon sind besonders die ca. 85.000 ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen, die über Regierungsabkommen in der DDR tätig sind.

Obwohl die DDR-Regierung noch im Mai dieses Jahres in mehreren bilateralen Abkommen den in der DDR arbeitenden Ausländern ein Aufenthaltsrecht bis zum Jahr 1994 zugesichert hat, ist hierzu kein Passus im Einigungsvertrag zu finden. Statt dessen deutet alles darauf hin, daß mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten, einer Lohnreduzierung auf 70 Prozent sowie der Bezahlung des Flugtickets für die Rückreise, die 85.000 ausländischen Arbeitnehmerinnen und Areiternehmer abgeschoben werden sollen.

Von dieser Regelung sind nicht nur etwa 60.000 Vietnamesen, 15.000 Mosambikaner, 9.000 Chinesen betroffen, sondern auch derern Familien in den Heimatländern. Damit ist das Überleben von fast einer Million Menschen gefährdet. Überdies können Vietnam, Mosambik und Angola, die zu den ärmsten Ländern der Welt gehören, diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht kurzfristig reintegrieren.

Zweieinhalb Wochen vor Inkrafttreten des Einigungsvertrages müssen wir befürchten, daß es aufgrund der Wirtschaftskrise in der DDR und fehlender sozialer Vorsorge zu einer massenhaften Abschiebung dieser ausländischen Bürgerinnen und Bürger kommen wird. Dies würde die Einigung Deutschlands mit einer unerträglichen moralischen Hypothek belasten.

Grundsätzlich gehen wir davon aus, daß völkerrechtlich bindende Abkommen, von der DDR-Regierung ratifiziert, nun von der Bundesregierung voll gültig übernommen werden müssen. Entsprechend den oben genannten Abkommen vom Mai haben ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes das Aufenthaltsrecht und die gleichen Ansprüche auf soziale Leistungen wie deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Diese Fakten nannte auf einer Tagung des Koordinierungskreises Mosambik, die vom 14. bis 16. September 1990 in der katholischen Akademie Walberberg mit 100 Vertreterinnen und Vertretern von entwicklungspolitischen Organisationen und Aktionsgruppen stattfand, der Vertreter des Büros für Ausländerfragen beim DDR-Ministerrat Klaus Pritzkuleit.

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, unterstützen seit Jahen die Bevölkerung in den betroffenen Ländern durch langfristige Entwicklungshilfeprojekte der Selbsthilfe. Das Ziel unserer Arbeit ist es, gerade in diesen Ländern Bedingungen zu schaffen, damit die Menschen in ihrer Heimat eine Existenzgrundlage erhalten und nicht gezwungen sind, in die reichen Länder des Nordens abwandern zu müssen.

Die zu erwartende Abschiebung der betroffenen 85.000 ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach der Vereinigung wird die Situation von tausenden Familien, vor allem in Mosambik, Vietnam und Angola, verschlimmern.

Wir fordern daher eine sofortige verbindliche Erklärung der Bundesregierung, in der sie ihre aus diesen Abkommen entspringende Verpflichtung anerkennt. terre des hommes BRD e. V.

Dritte Welt Haus Bielefeld

Koordinierungskreis Mosambik