Gegen die Wurstheinze

■ StanRedFox im Trash

Lars Rudolph, Leader der jetzt in London lebenden Band, kam irgendwann aus Preetz (Schleswig-Holstein, BRD) nach Berlin. Sein »Alter war beim Militär«. Im Wohnzimmerschrank stand eine Trompete, so kam Rudolph zur Blasmusik. »Der Dirigent war jedoch totaler Fascho. Bei Hitler hat der Marschmusik gemacht.« So kam Rudolph zum Jazz: »In den Keller gehen und fünf Stunden üben war für mich die einzige Möglichkeit, dem Elternhaus und diesem Stumpfsinn zu entkommen.«

In Berlin wurde er in der freien Musik heimisch; spielte mit Peter und Kaspar Brötzmann, mit Cecil Taylor, hatte in New York Sessions mit Elliott Sharpe, John Zorn und anderen Stars der Szene. Doch die Free-Jazz-Szene gerade in der BRD, so meint er, sei tot, oder: »Das sind alles so Wurstheinze, bei denen nichts rüberkommt. Das ist kein Blut. Westdeutschland ist das.«

»Diese Musik hat mich dann einfach nicht mehr interessiert. Das ist einfach ausgelutscht, das Publikum, das sind alles so Sechziger-Jahre- Bärte; Leute, mit denen ich nichts zu tun haben will.«

Nach einem Konzert mit Peter Brötzmann war ihm klar, daß er was anderes machen müsse: »Das war so 'n richtiges Battle zwischen mir und ihm; ein richtig guter Boxkampf. Aber warum sollte ich gegen Herrn Brötzmann kämpfen?! Ich find' den super, aber für mich war klar, daß mir andere Sachen wichtiger sind.«

Inzwischen fährt Rudolph zweigleisig, ein paarmal im Jahr trifft er sich noch mit den Freunden seiner alten Band KIXX zur Tournee, macht improvisierten Jazz, Rock und »alles mögliche«, ansonsten hat er sich auf die Arbeit mit StanRedFox konzentriert. Die Band entstand eher zufällig. Der Bassist, Stephan Hachtmann, hatte einen Auftritt schon abgesprochen, aber noch keine Band. Die Band fand sich, machte zwei Platten, verbrauchte in zweieinhalb Jahren einige Drummer, bis sie im letzten Jahr mit BLURT auf Tournee gingen. »Da hab' ich den Nick [den BLURT-Drummer] getroffen und mich sofort in den verknallt. Und er hat sich auch sofort in uns verknallt.«

Nach einer Tour durch die CSFR, traten StanRedFox am Montag im Trash auf, dem neuen besten Ort für kleine große Konzerte. Lars Rudolph spielt Gitarre, singt; kontrolliert kieksig, manchmal rotzig, manchmal, als wäre er auf der Höhe der Neurose, manchmal diszipliniert daneben, wechselt auf Trompete oder Keyboards, mit rotem Baseball- Käppi, dünn, klein, drahtig. Er steht für Berliner Streetcredibility, auch oder gerade, wenn er mit einem kleinen Klapprad herumfährt. Die Texte sind ironisch-wahrhaftig. »Der nächste Song heißt: Die Dünnmachpille.« Der Refrain geht: »Mother, if you hadn't take this pill, I would be a fat man, as god said I will.« Oder der nächste Song heißt I'm a quick boy, I come in a minute.

Stephan Hachtmann, ehemaliger Ostler, ein großer Schlanker, dessen Größe auf der kleinen Bühne gerade neben Rudolph manchmal für lustige Effekte sorgt, spielt vor allem Funk und verhindert dadurch den manchmal drohenden Punk. Hinter den beiden hält Nick Murcott das Ganze zusammen und treibt es vorwärts und treibt es dorthin, wo mit Pixxie-Chören »hey« und »ho« und »heyho« der Popsong entsteht, der sich in deinem Kopf festsetzt und eine Zeitlang noch bleibt, das verdrängt, was manchmal noch nach Jazzrock riecht und Publikum und Band so zurückläßt, wie sie zurückgelassen werden wollen: als solche, die einen guten Abend miteinander hatten.

Eine Zeitlang konzentrierte sich das für Berlin relevante Musikgeschehen in der Adalbertstraße: Fran¿oise Cactus, die geniale Drummerin der Lolitas, lebte dort Tür an Tür mit Lars Rudolph. Jingo de Lunch lebte ein paar Meter weiter. Jingo de Lunch ist inzwischen berühmt und woanders; Lars Rudolph lebt in London. Fran¿oise allein hält nun die Stellung, auf daß Berlin nicht in den Schlaf der Blödheit versinken möge. Detlef Kuhlbrodt

StanRedFox spielt heute noch um 21 Uhr im Club 29, Rosa-Luxemburg-Straße 29, Berlin 1020.