Sex im Autowrack

■ „Tage des Donners“ — der vorprogrammierte Blockbuster

Mit ihrem Jubelgeschrei auf massenvernichtendes Kriegsspielzeug Top Gun hatte das Produzentenduo Don Simpson und Jerry Bruckheimer einen fetten Schnitt gemacht. Warum also nicht das gleiche Geld noch einmal einsacken? Die Geschichten, die die beiden verfilmen lassen, sind eh immer die gleichen. Ihr Erfolgsrezept: Am Ende siegen die Underdogs.

Nun hatten sie ihre Underdogs aber über fast alles schon einmal siegen lassen, da blieb nicht viel übrig. Wahrscheinlich erinnerten sie sich daher an einen der Sprüche ihres Top Gun-Hauptmimen: „Wenn du nachts auf einem Flugzeugträger landest“, schwärmte Tom Cruise damals, „ist das wie Sex in einem Autowrack“. Autowrack? Auto? Autorennen!! Das Schlachtfeld des Zelluloiddramas war gefunden und die Hälfte der Arbeit erledigt. Die andere Hälfte bestand darin, die 57 Millionen Dollar Gesamtkosten aufzutreiben. Damit das Ding auch ja den angepeilten Reibach einspielen würde, suchten sie sich noch eine Crew von erstklassigen Facharbeitern zusammen. Hollywoods Wort-Guru Robert Towne schrieb ihnen das Drehbuch und Tony Scott, der mit Top Gun die richtige Einstellung bewiesen hatte, wurde wieder als Regisseur verpflichtet (siehe Interview). Tom Cruise holten sie für eine Grundgage von 9,5 Millionen Dollar aus seinem Geboren am 4.Juli-Rollstuhl und setzten ihn in einen aufgemotzten 300-PS-Tourenwagen. Mit der Besetzung des weiblichen Parts gabs zunächst Schwierigkeiten. Nicht jede darf Tom Cruise zu Willen sein, man muß Rücksicht nehmen auf die Backfisch-Fans. Also engagierten sie schauspielerische Dutzendware mit Namen Nicole Kidman („Ich habe selbst mit einem Automatik- Wagen Schwierigkeiten“).

Tom Cruise hat seinen ersten Auftritt auf einem monströsen Zweirad. Mit Benzin im Blut und einer viertel Tonne heißen vibrierenden Stahls zwischen den Beinen rollt er dröhnend ins Bild. Alsbald steigt der coole Höllenjockey in ein Geschoß mit vier Rädern um und fährt mit einem Affenzahn immer im Kreis herum. Dabei rutscht ihm des öfteren sein Hirn in den Bleifuß, und er läßt Sprüche ab wie: „Ich habe mehr Angst davor, ein Niemand zu sein, als verletzt zu werden“. Diese Art Philosophie hat Tradition in der Geschichte des amerikanischen Films.

Natürlich gibt es jede Menge wunderschöner Unfälle zu sehen. Crashs bei Tempo 200, rückwärtige Kollisionsattacken, schleudernde Rennmaschinen, die unkontrolliert gegen die Betonwand krachen — wie Samstagsnacht auf dem Land, wenn die Dorfdisco schließt. Karl Wegmann

Tony Scott: Tages des Donners, mit Tom Cruise, Nicole Kidman, Robert Duvall u.a., USA 1990, 107 Min.