Hilfe für die Opfer, Ausgleich statt Prozeß

■ Justizsenator: Buch präsentiert, 2.000 Mark spendiert, Opferhilfe gelobt

Die Sache selbst ist überhaupt nicht so dröge, wie der Titel sich anhört: „Täter-Opfer-Ausgleich und Opferhilfe im Lande Bremen“. So heißt ein neues Arbeits- Buch und zugleich ein junger und noch ausbaubedürftiger Schwerpunkt Bremer Kriminalpolitik. Beides stellte Justizsenator Volker Kröning gestern der Presse vor.

Was das Buch an internationalen und bundesdeutschen Erfahrungen, Kontroversen und Konzepten präsentiert, wird bei der „Bremer Hilfe“ bereits praktisch versucht. Seit einem knappen Jahr mit drei Stellen und rund 25 Ehrenamtlichen ausgestattet, wollen die MitarbeiterInnen in Bremen endlich in Schwung bringen, was bei Gerichtsverfahren oft aus dem Blick gerät: die Entschädigung des Opfers — und der Versuch, mit Opfer und Täter die Tat besprechbar und überhaupt verarbeitbar zu machen. Gerichtsverfahren und Strafrecht haben die Täter im Blick. Die Opfer stehen mit dem materiellen Schaden, vor allem auch mit ihrer Angst und Wut allein da.

„Wir haben es oft erlebt, daß die Geschädigten gar nicht unbedingt einen Prozeß wollen. Sie wollen den Schaden ersetzt haben und mit dem Täter Klartext reden können“, erklärte gestern Danielle Hermans, hauptamtliche Juristin bei der Bremer Hilfe. Etwas fadenscheinig ist immer schon „Wiedergutmachung“ in oder vor Gerichtsverfahren versucht worden; oft aber in der Absicht, damit dem Täter einen besseren Stand im Verfahren zu ermöglichen. „Uns geht es um die Interessen beider, also viel mehr als bisher um die Opfer“, betonte Frau Hermans, „wenn das Opfer es wünscht, könne wir gemeinsam versuchen, den Schaden zu regulieren und mit dem Täter über die Tat zu sprechen. Täter haben übrigens auch Schuldgefühle und können sich oft erst nach einem Gespäch mit dem Opfer wieder in die Augen gucken.“ Manchmal kann der Schaden direkt, durch Ratenzahlung, sogar durch Gartenarbeit wieder ausgebügelt werden. Dem Opfer spart das langwierige und, im ungünstigen Fall, sogar teure Gerichtsverfahren, dem Täter Prozeßkosten und womöglich erste Kriminalisierung. Das gilt vor allem für leichte und mittlere Kriminalität, besonders bei Jugendlichen und Heranwachsenden.

Bei Gewalt-oder Sexualdelikten ist eine persönliche Konfrontation oft nicht erwünscht oder sinnvoll. Dann gibt es einen Fonds, in den der Täter einzahlt und aus dem das Opfer zumindest materiell eine Erstattung bekommt. Damit sind langwierige Zivilverfahren oft überflüssig. „Es geht aber nicht nur ums Strafrecht, sondern auch um Ehekrach oder um den Narbarstreit um den Birnbaum auf der Grenze“, erklärte Gerda Lehmensiek, ehrenamtliche Mitarbeiterin bei der Bremer Hilfe.

Das noch druckfrische Buch, herausgegeben vom Justizsenator, soll eine richtige Arbeitsgrundlage sein für SozialarbeiterInnen, Polizeibeamte, PsychologInnen, JuristInnen. Inhalt: Erfahrungen und Modellprojekte der Opferhilfe, Bremer Abgebote und die Ergebnisse einer Bremer Fachtagung zum Thema. Besonders interessant ist eine Kontroverse zweier renommierter Strafrechtler um Sinn und vor allem Grenzen der Opferhilfe. In Anhang: Adressen von Notrufen, Beratungsstellen und Opferhilfen. BremerInnen, die sich für die Opferhilfe ehrenamtlich engagieren wollen, sind der Bremer Hilfe sehr willkommen. Für die Schulung von Ehrenamtlichen, die ZeugInnen bei Gericht betreuen sollen, legte der Justizsenator gestern schon mal 2.000 Mark auf den Tisch. S.P.

„Täter-Opfer-Ausgleich und Opferhilfe im Lande Bremen“, steintor-Verlag, DM 19,80.