„Du sollst nicht den Tabubrecher spielen“

■ Offene Grenzen oder Abschiebung der Roma: Grüne Diskussion der Thesen des Viertelbürgermeisters Hucky Heck

„Tabus brechen“ wollte der grüne Viertelbürgermeister Hucky Heck mit seinem taz-Interview („Kein Kulturgut, das schützenswert ist“, taz vom 6.8.90), in dem er sich für die Abschiebung der protestierenden heimatlosen Roma eingesetzt hatte. „Das Knacken von Tabus ist kein Selbstzweck“, mußte er sich am Mittwoch abend im Konsul- Hackfeld-Haus dazu sagen lassen. Die Grünen hatten Hucky Heck zur Diskussion der „Grenzen des Konzepts der multikulturellen Gesellschaft in unseren eigenen Köpfen“ eingeladen, und 60 zumeist in der Ausländerarbeit engagierte BremerInnen waren gekommen.

„Gut ist das Knacken von Tabus nur, wenn es nicht auf Kosten der Schwächeren geht“, hielt die grüne Fraktionsmitarbeiterin Karoline Linnert dem Viertelbürgermeister vor. Dessen Argument, die Einwanderung von immer mehr Ausländern führe zu immer mehr Ausländerfeindlichkeit, sei nicht „paradox“, wie Heck gesagt hatte, sondern „falsch“. Linnert: „Glaub' doch nicht, daß es etwas hilft, den Republikanern bei den Roma den kleinen Finger zu geben. Dann kommen als nächstes die Drogenabhängigen oder die Behinderten dran.“

Eher psychoanalytisch näherte sich der Sozialpolitiker der Alternativszene, Niko Diemer, den Aussagen Hecks. Dessen Versuch, „die grüne Gnade der späten Geburt“ für sich in Anspruch zu nehmen und über die Roma- Abschiebung unabhängig vom systematischen Mord an den Völkern der Cinti und Roma im Nationalsozialismus reden zu können, habe ihn „entsetzt“. Und wenn Heck im Interview zur Begründung sagte, schließlich sei er auch nicht dafür „verantwortlich, daßJesus ans Kreuz genagelt wurde“, dann sei das „typischer Antisemitismus“. „Da läuft was ab bei Dir“, ahnte Diemer, auch wenn Heck versicherte, niemals an den Zusammenhang seines Satzes mit dem Vorwand der Judenverfolgung, Juden hätten Jesus umgebracht, gedacht zu haben. „Das erinnert mich an Le Pen“, sagte Diemer, „den Tabubrecher spielen nach dem Motto: Jetzt sag' ich Euch endlich mal die Wahrheit“.

Das gerade nicht, sondern einfach einmal „ohne Moral“ habe er über die Probleme reden wollen, die sich ergeben, wenn Asylbewerber zum Beispiel ihre Müllsäcke einfach aus dem Fenster werfen, entgegnete Heck. Dieser Art seien schließlich die Beschwerden, die täglich bei ihm im Ortsamt zusammenliefen. Trotz aller Bemühungen, bessere Wohnverhältnisse und soziale Betreuung für die Flüchtlinge zu organisieren, gäbe es eben bestimmte Verhaltensweisen, die in der deutschen Nachbarschaft „sozial unverträglich“ seien.

„Vielleicht sollte man lieber mal über soziale Betreuung der deutschen Nachbarn reden“, schlug dagegen Harald Schütt von „Entwicklungshilfe von Volk zu Volk“ vor. „Multikulturelle Gesellschaft“ fiele schließlich nicht vom Himmel, sondern erfordere den persönlichen Einsatz aller. Eine Ausgrenzung der Probleme dieser Welt durch Schließen der Grenzen allerdings sei sicher nicht der richtige Weg. Ihm gehe es um eine andere Weltwirtschaftsordnung: „Wenn das alte Prinzip 'gleicher Lohn für gleiche Arbeit' weltweit gelten würde, dann wäre das Flüchtlingsproblem sowieso gelöst,“ sagte Schütt. „Rechter als die CDU“ sah der Anwalt Volkert Ohm die Position des grünen Ortsamtsleiters. „Ich habe nichts gegen Flüchtlingsströme“, plädierte Ohm für die Aufhebung nationalstaatlicher Grenzen, „ich bin dafür, daß alle kommen können.“

„Keine Angst“ habe er davor, sich in bestimmten Aussagen „rechts von der CDU“ wiederzufinden, entgegnete Heck. Obwohl ihn am Mittwoch niemand verteidigen wollte, fand er am Ende: “Ich würde mich freuen, wenn die Diskussion weitergeht."

Dirk Asendorpf