Zensur in der U-Bahn

Das oben in voller Breite abgebildete Plakat darf nicht für Thomas Braschs Theaterstück »Rotter«, das Ende Dezember vom Berliner Ensemble aufgeführt wird, in der U-Bahn werben. Jedenfalls nicht dort, wo der Berliner Plakatflächenmonopolist VVR-Berek seine Flächen aufgestellt hat und sein Sittenwächter Kuno das Sagen.

Denn Herr Kuno sagt: Erstens ist das Bild pornographisch, zweitens beinhaltet es nationalsozialistische Symbole, und drittens ist das Format falsch.

Wer nun auf Teufel komm raus nichts Pornographisches an diesem Bild erkennen mag, der riskiere mit Herrn Kunos Augen zuerst einen verschämten Blick nach scharf rechts (zu sehen: 1 nackte Frau) und dann einen noch verschämteren nach links (zu sehen: 1 nackter Mann). Nun dürfte der gleiche Herr Kuno, der hier Pornographie sieht, auch für das »Big-Sexyland«-Plakat zuständig sein. Dort ist auch eine nackte Frau zu sehen, allerdings im Ganzkörperprofil, und außerdem trägt sie Schmuck — das wird wohl der Unterschied sein. Aber eigentlich sind für Herrn Kuno »nackte Frauen kein Problem«. Viel mehr Schwierigkeiten hat er mit

den nationalsozialistischen Symbolen. Würden die sich doch wenigstens etwas vom Symbolisierten distanzieren. Wenn zum Beispiel das Hakenkreuz durchgebrochen wäre — das wäre schon was ganz anderes.

Überhaupt — man könne doch mit ihm sprechen, er sei gar kein Zensor, wie das Berliner Ensemble behauptet, nichts liege ihm ferner als dies. Zum Beispiel das Plakatformat. Braucht man nur ein bißchen zu schneiden, mal hier was weg, mal dort, schon ist das Formatproblem aus der Luft. Und wenn dann noch jemand die Verantwortung übernimmt für die nationalsozialistischen Symbole — und zwar schriftlich, handsigniert, so was ist auch schon mal geschehen —, dann könne man von ihm aus das Plakat aufhängen.

Doch das Berliner Ensemble bleibt dabei, daß es sich bei diesem Vorgang um die erste Plakatzensur im vereinten Deutschland handelt. Denn kurz nachdem die taz bei VVR- Berek angerufen hatte, meldete sich Herr Kuno dort und verlangte bildliche Veränderungen am Plakat. Man kann eben mit ihm reden, kein Problem. hai