Ost-Berlins Polizei bespitzelte Schwule

■ Aids-Hilfe beklagt jahrelange Ausforschung und Registrierung/ Polizei legt Stasi-Spur/ Innensenator: Datensammlung muß gelöscht werden

Ost-Berlin. Die Ostberliner Kriminalpolizei soll seit Ende der siebziger Jahre Schwule systematisch überwacht und registriert haben. Wie die »Aids-Hilfe in der DDR« gestern mitteilte, seien seit dem Jahr 1978 hauptsächlich im Szeneviertel Prenzlauer Berg 849 Schwule als »potentielle Kriminelle« observiert worden. Die Kripo hingegen dementierte gestern, daß sie solche Überwachungsaktionen durchgeführt hat. Der Sprecher der Kriminalpolizei, Baumann, wollte aber nicht ausschließen, daß das Ministerium für Staatssicherheit die Schwulen ausspioniert haben könnte.

Wie die DDR-Aids-Hilfe weiter erklärte, seien nicht nur Namen und Anschriften, sondern auch Arbeitsstellen, Gewohnheiten, die Treffpunkte in der schwulen »Kneipen- und Klappenkultur« sowie die Anschriften von Freunden und Bekannten von der Kripo registriert worden. Nach Angaben der Aids-Hilfe begründete die Kriminalpolizei ihre Aktion gegen Homosexuelle damit, daß deren »Handlungen Asozialität und die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten begünstigen«. Für »den Klassengegner und seine Agitationszentralen« seien sie laut Polizei durch ihre Kontakte zu Freunden im Ausland besonders interessant gewesen. Den Anstoß zu der »widerlichen Schnüffelei«, so die Aids-Hilfe, solle der frühere Stellvertreter des Oberbürgermeisters und Stadtrat für Innere Angelegenheiten, Günter Hoffmann, gegeben haben.

In zwei gleichlautenden Schreiben forderte die Aids-Hilfe der DDR die Leiter der Ressorts für Inneres in beiden Teilen Berlins dazu auf, »unverzüglich die Dateien zu löschen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen«. Ob sich auch das Ministerium für Staatssicherheit dieser Datensammlung über Schwule bediente, habe bisher nicht bestätigt werden können. Generell auszuschließen ist es der Aids-Hilfe zufolge jedoch nicht.

Wie Kripo-Sprecher Baumann gestern gegenüber der taz sagte, seien ihm solche Überwachungsaktionen gegen Schwule »absolut unbekannt«. Er könne sie nicht bestätigen, aber »mit 15 Jahren Berufserfahrung, 11 davon in Berlin« sagen, daß die Vorwürfe der Aids-Hilfe gegenüber der DDR nicht stimmten. Baumann verwies auf das Ministerium für Staatssicherheit, das »ja bekanntlich nicht nur Postabholer-Ausweise, sondern auch Kripo-Ausweise benutzt hat«.

Auch bei der Westberliner Innenverwaltung und dem Magistrat war gestern über die Überwachungsaktionen noch nichts bekannt. Der Sprecher des Innensenators, Werner Thronicker, sagte der taz: »Sollten die Daten unrechtmäßig erhoben worden sein, dann werden sie nach dem Übergang der Polizeihoheit am 3. Oktober gelöscht werden.« Ähnlich äußerte sich auch der Sprecher des Ostberliner Magistrats, Christian Hoßbach. Solche Aktionen liefen der »Magistratspolitik diametral zuwider«, und entsprechend müßten eventuell vorhandene Datensammlungen über Schwule gelöscht werden. kotte/ap