Opposition bis ins Jahr 2000?

■ Prominente Grüne gegen die bloß formale Abgrenzung von der PDS DOKUMENTATION

Es reicht jetzt mit den innerparteilichen Feinderklärungen gegen die grünen „Weltmachtträumer“, es reicht mit den Strafandrohungen des Bundesvorstands und überhaupt, es reicht. Wenn das „neue Oppositionsbündnis von Ditfurth bis Fischer“ ('dpa‘) so fest steht, weshalb dann die Ausfälle gegen die Handvoll „Rechtsabweichler“, während den „Linksabweichlern“ auf ihrem Weg zur PDS bedauernde Ehrenerklärungen nachgeschickt werden? Gibt es da vielleicht doch das Gefühl, daß der Schulterschluß auf der Stelle eine hilflose und zutiefst apparatmäßige Reaktion auf den Fall der Mauer und das Ende des Sozialismus in Europa ist? Wie lange werden sich die grünen Gremien leisten können, die faktische Großmachtrolle des vereinten Deutschland nach dem Motto „Ich bin klein, mein Herz ist rein“ zu ignorieren.? Wir kennen unter den Grünen niemanden, der eine deutsche Weltmachtrolle gewünscht und „propagiert“ hätte. Allerdings halten wir die Parole „ Nie wieder Deutschland“ bloß für umgestülpten Nationalismus. Die entscheidende Frage ist, wie die gesamtdeutsche Republik verfaßt sein, wie sie in Europa und der Welt agieren wird. In diese Auseinandersetzung müssen sich die Grünen einmischen — im Wissen um die historische Sprengkraft des deutschen Nationalstaates, aber auch im Vertrauen darauf, daß wir nicht zur Wiederholung dieser Geschichte verdammt sind, weil sich die inneren und äußeren Umstände gewandelt haben.

Wie lange wird sich die bloß formale Abgrenzung zur PDS/Linke Liste halten lassen, während die Bundespartei bereits die Aktionseinheit mit der PDS auf Demonstrationen praktiziert, bei denen geradewegs die neue linke Lebenslüge übernommen wird — das soziale Debakel in der DDR habe seinen Grund in der „Einverleibung“ durch Bundesregierung und Kapital? In der Einheitsfront „gegen Nationalismus, Militarismus, Rassismus, Patriarchat und Sozialabbau“ verschwinden alle Unterschiede im großen linken Einheitsbrei. Statt mit der PDS darum zu konkurrieren, wer nun die modernere und radikalere Linkspartei ist, wäre jetzt die Gelegenheit, freundlich, aber bestimmt, die qualitative Differenz zwischen dem grünen und dem sozialistischen Projekt zu verdeutlichen. Die PDS konfrontiert die Grünen noch einmal mit der Frage, was sie selbst sind und sein wollen — als Antwort hört man aus den grünen Hauptquartieren nur undeutliches Rauschen.

Wie wir der Presse entnehmen, soll auf dem Bayreuther Parteitag „die Oppositionsrolle der Grünen“ festgeschrieben werden. Ja freilich, die Aussicht auf eine rot-grüne Regierungsmehrheit bei der gesamtdeutschen Wahl hat sich verflüchtigt — auch deshalb, weil weder SPD noch Grüne sie wirklich wollten und weil sich beide in der Zweistaatlichkeit eingerichtet hatten. Bleibt die Frage, welche Art von Opposition wir sein wollen. Wenn es darauf hinausläuft, daß die Grünen jetzt wieder in die Rolle der bloßen Gesinnungsopposition zurück sollen, in den ermüdenden Forderungsradikalismus und die ohnmächtige Linkshaberei bis ins Jahr 2000 — dann melden wir schon vorbeugend Opposition gegen solche Opposition an. Was glaubt ihr, wie lange eine ökologische Wende noch Zeit hat und wer sie durchsetzt?

M. Beck-Oberdorf, R. Fücks, Chr. Nickels, B. Ulrich, A. Vollmer, W. Weber