Chancen für DDR-Atomwirtschaft?

■ Einigungsvertrag macht's möglich: Mit Änderung des Atomgesetzes können DDR-Atomanlagen weiterbetrieben werden

Hamburg (taz) — Während Reaktorminister Klaus Töpfer das Aus für die Atomreaktoren in Greifswald propagiert, ohne die endgültige Still- legung anzuordnen, basteln die Wiedervereiniger aus dem Hause des Ministers an Ausnahmeregelungen: Damit soll der befristete Weiterbetrieb der DDR-Atomanlagen rechtlich möglich bleiben. Nicht nur nach geltendem bundesrepublikanischen Atomrecht, sondern — wie EG- Kommissar Bangemann kürzlich erklärte — auch nach den Richtlinien der EG müßten sämtliche Atomanlagen in der DDR eigentlich unverzüglich abgeschaltet werden. Aktuell soll der letzte noch laufende BlockI der Atomzentrale am 15. Dezember stillgelegt werden.

Mit dem Einigungsvertrag wird ein neuer Paragraph 57a in das Atomgesetz eingefügt, mit dessen Hilfe DDR-Atomanlagen jedoch zumindest theoretisch vorerst weiterlaufen können. Die Atommeiler in Greifswald könnten danach bis Mitte 1995 weiterbetrieben und -gebaut werden, Atomtransporte bis 1992 ohne die in der BRD vorgeschriebenen Genehmigungen hin und her gekarrt und das DDR-Lager für leicht- und mittelaktive Atomabfälle sogar bis zum Jahr 2000 weiter genutzt werden. Ziel der Prozedur ist es offenbar, nicht alle Türen zuzuschlagen und die Atomwirtschaft in der DDR vor dem sofortigen „Aus“ zu bewahren. Allerdings wird mit einer weiteren Bestimmung im Einigungsvertrag auch der Widerruf geltender atomrechtlicher Genehmigungen in der DDR erleichtert.

Wer auch immer Interesse an den derzeit von der Treuhand verwalteten Atomanlagen anmelden sollte: Im Fall eines Entzugs der Genehmigung kann er nicht mit Entschädigungszahlungen rechnen. Die grüne Bundestagsabgeordnete Wollny erklärte in Bonn, daß die Feststellung, die Greifswald-Reaktoren nicht nachrüsten zu können, für die deutschen Atomfirmen verheerend wäre. Diese erhofften sich von der Rekonstruktion der zahlreichen mit Greifswald baugleichen oder -ähnlichen AKWs in Osteuropa das Ende der seit Jahren andauernden Auftragsmisere. Dirk Seifert