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Kindheitsbegegnungen mit den grünhäutigen Flüssigatmern

„UFO“, englische Fernsehserie von 1969, Sa. 11.15 Uhr und So. 1.35 Uhr, Pro7  ■ Von Manfred Riepe

Jeder, dem ich Bescheid gab, daß die englischen TV-Serie UFO wiederholt würde, gab mir zur Antwort: „Das durfte ich damals nicht sehen.“ Es geht in diesem aus heutiger Perspektive schrill-militaristischen SF- Serial um eine hochintelligente aber vitalitätsgestörte Rasse von Außerirdischen, die unseren blauen Planeten als Frischzellen-Organbank gebrauchen. Weil die Aliens Menschen so funktional behandeln wie wir Tiere, so die Losung Commander Strakers (Ed Bishop), dem Chef der getarnt unter einem Filmstudio arbeitenden UFO-Abwehrorganisation S.H.A.D.O., müssen sie abgeschossen werden, gnadenlos. Der Dialog mit den Fremden scheidet aus. Ich würde das meinen Kindern heute auch verbieten. Die Serie beschreibt einen höchst reaktionären Konflikt aus der damals noch erfrischend unverbrämten Perspektive des kalten Kriegs.

Meine Kinder wären jedoch blöde, geradezu phantasielos, wenn sie mein Verbot nicht ebenso umgehen würden wie ich die kaltherzige Anordnung meiner Eltern. Ich hatte damals ein paar unscharfe Fotos in einer Vorankündigung gesehen, die meine Phantasie und mein Gemüt so stark bewegten, daß ich mit ohnmächtiger Verzweifelung in mich hineinheulte, als ich ins Exil des Schlafzimmers verbannt wurde, weil nämlich „UFO“ erst um 21.00 Uhr ausgestrahlt wurde. Mit Tricks und Schlichen gelang es mir jedoch alle Folgen zu sehen. Mit einer Ausnahme: „Der Mann, der nicht wiederkam“, die ich jetzt auch nicht sehen werde, denn aus technischen Gründen werden nur drei Folgen wiederholt, leider!

In zitternder Erwartung saß ich also vor diesem beim Einschalten laut brutzelnden Röhren-Farbfernseher von Grundig. Drei Jahre war es her, daß Vizekanzler Willy Brandt auf der Funkausstellung den roten Knopf gedrückt hatte, und das Bild vor Millionen Augen farbig wurde. Farbfernsehen war noch etwas wie eine „terra incognita“. Ende der 60er herrschte längst nicht diese Reizüberflutung. Es gab noch etwas zu entdecken. Die Geschichte mit den UFOs und den grünhäutigen Flüssigatmern, die nie ein Wort sagten, erschien mir damals geheimnisvoll und faszinierend.

Regisseur Gerry Anderson, der eigentlich Stukkatur gelernt hatte und nur wegen einer Gipsallergie zum Film kam, bedauerte, mit seiner Serie „der Zeit voraus“ gewesen zu sein: „Ich glaube, wenn die Serie heute produziert würde, bei all diesen UFO-Sichtungen, wäre sie ein phantastischer Erfolg. Wir hatten etwas Pech mit UFO, weil es zwar eine Menge UFO-Sichtungen zu der Zeit gab, aber mitten in der Produktion die US-Air-Force das Ergebnis einer zweijährigen Untersuchung veröffentlichte. Darin hieß es kategorisch: UFOs gibt es nicht. Worauf das Interesse für dieses Thema für lange Zeit merklich nachließ.“

Die Frankensteine aus dem All indes ließen sich nicht abschrecken und kamen mit rotierenden Glaskegeln zur Erde, die ein merkwürdig hallendes Gurren verursachen. Die zierlichen Untertassen wurden bereits mit von der Mondbasis startenden, hornissenartigen Abfangjägern abgeknallt, von denen sich noch ein Modell in meinem Besitz befindet. Ferner besitze ich noch das Album mit den Kaugummi-Bildern der Serie und ein sogenanntes „Fernsehbuch“, das ich nicht mochte, weil es in wesentlichen Details abwich.

Die Mondbasis wird von der kurvenreichen Lieutenant Ellis (Gabrielle Drake) mit engansitzender, silberglänzender Montur und lilafarbenem Pagenschnitt geleitet. Überhaupt tragen die Frauen geradezu obszöne Monturen. Ihre Blöße wird hämisch-verklemmt mit wimmerndem Hammondorgel-Sound der Sechziger kommentiert. Strakers Stellvertreter Colonel Freeman (George Sewell) steigt ihnen unablässig hinterher. Sein Gesicht sieht aus wie ein alter Autoreifen, seine Koteletten reichen bis zum Schlüsselbein, und die Sprüche des Knatterchargen sind an Dämlichkeit unüberbietbar: „Du trinkst immer noch nicht?“ — Straker: „Nein. Selbstbeherrschung.“ — Freeman: „Trinken verlangt noch mehr Selbstdisziplin.“

Grandios anzuschauen ist dieser bierernste Technokult, der noch von einem gutgläubigen, fast andächtigem Verhältnis zur Technologie berichtet. Inserts zeigen dynamisch ratternde Fernschreiber und rotierende Magnetbänder, den sprechenden Satelliten Sid mit dem Bamberger Akzent und die Piloten, die bei Alarmstufe rot über die Feuerrutsche starten, die designte Mondbasis und das sich protzend aufrichtende Unterseeboot.

Das ideale Frühstücksfernsehen also.

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