CSFR-Stasi wühlt trotz Auflösung weiter

■ Fehlende Gesetze verhindern Rausschmiß der „Geheimen“/ Inoffizielles Netz des STB funktioniert weiter/ Konspiration mit dem KGB fortgesetzt?/ Verbrechensrate steigt, Aufklärungsrate sinkt/ Aufstockung der Polizei durch entlassene Militärs?

Prag/Paris (dpa/taz) — Die Sicherheitsdebatte im Parlament der CSFR am Mittwoch dieser Woche brachte Einzelheiten über die Beschäftigungslage ehemaliger Mitglieder des Sicherheitsdienstes STB zutage. Innenminister Langos teilte mit, zwar seien die meisten Angehörigen der „Firma“ beurlaubt, was den Staat bislang 250 Millionen Kronen (rund 25 Mill. DM) gekostet habe. Entlassungen seien aber nicht möglich bzw. rechtlich nicht haltbar, da es für sie an einer gesetzlichen Grundlage fehle. In der Freitagausgabe von 'Le Monde‘ präzisierte dann der für die Auflösung des STB zuständige Staatssekretär Jan Ruml, man habe zwar rund 60 Prozent der Agenten entlassen, es sei aber unmöglich, eine Struktur zu zerschlagen, die die ganze Gesellschaft durchdrungen habe. Viele Angehörige der „Firma“ hätten von der weithin unveränderten Prager Stadtverwaltung Waffenscheine erhalten, seien also bewaffnet. Sie lebten gemeinsam in Wohnblocks; da ihre Frauen oft im Innenministerium angestellt seien, wäre es für sie kein Problem, rechtzeitig von den Maßnahmen der STB-Auflöser Wind zu bekommen. Ein großer Teil des Archivs ist laut Ruml mittlerweile vernichtet worden. So gebe es von über 10.000 Agenten und Spitzeln (von insgesamt 18.000 „Hauptamtlichen“ und 140.000 Informanten) keine Unterlagen. Jan Ruml, zu Zeiten der „Normalisierung“ Aktivist der Charta 77 und Untergrundjournalist, hält es für erwiesen, daß Kerne des STB nicht nur gegen den demokratischen Staat konspirieren, sondern sich dabei auch noch auf das KGB stützen. Die Sowjets hatten nach der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ den tschechoslowakischen „Dienst“ vollständig reorganisiert und unter strikter Kontrolle gehalten. Ruml wiederholte in diesem Zusammenhang die schon von Präsident Havel geäußerte Vermutung, der KGB habe durch einen Putsch im ZK eine reformorientierte Führung an die Macht bringen wollen und sich deshalb im November in die Protestbewegung wie auch deren Niederschlagung eingefädelt. Er sei dann aber von der in Gang gekommenen Volksbewegung überrollt worden.

Die reguläre Polizei steht den regen Aktivitäten der Ex-STBler passiv und hilflos gegenüber. Die Aufklärungsrate von Verbrechen — z.B. bei Wohnungsdiebstählen — sinkt fortwährend, Morde und Raubüberfälle haben im Vergleich zum Vorjahr drastisch zugenommen. Bei der Bevölkerung genießt die Polizei nur wenig Respekt, wovon insgesamt 822 tätliche Angriffe auf die Gesetzeswächter zeugen. Im Parlament wurde deshalb auch über eine Aufstockung des Personalbestandes beraten. Da die Armee um 80.000 Mann reduziert werden soll, bietet sich den Offizieren und Unteroffizieren ein neues Betätigungsfeld. C.S.