Bremen 2000: Flächenverbrauch begrenzen

■ Gewerbeflächenpolitik: Umweltressort bestreitet Flächenwünsche des Wirtschaftssenators

Der Streit um die künftige Gewerbeflächenpoliik in Bremen ist voll entbrannt. Denn der Versuch von Fachbeamten der Ressorts Umwelt-und Stadtentwicklung und des Wirtschaftssenators, die seit einem halben Jahr hinter verschlossenen Türen nach einem Kompromiß gesucht hatten, ist gescheitert. „Das wird noch viel Ärger geben“, so reagierte am Freitag der Stellvertreter von Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer, Senatsdirektor Frank Haller, auf neue Grundsatzpapiere aus dem Hause Lemke- Schulte.

Kern des Konfliktes: Die Stadtentwicklungssenatorin Lemke- Schulte will den Wirtschaftspolitikern weit weniger Gewerbeflächen zubilligen als diese verlangen. Hintergrund: Seit zwei Jahren warnen Uwe Beckmeyer und vor allem dessen oberster Wirtschaftsförderer, Hartmut Schmädecke, vor einem Gewerbeflächenmangel. Doch bevor neue Gebiete für Gewerbe ausgewiesen werden sollten, verlangte die SPD-Fraktion im Frühjahr eine sogenannte „integrative Flächenplanung“. Soll heißen: Da neben neuen Gewerbegebieten auch neue Flächen für Wohnungsbau benötigt werden, gleichzeitig aber Freiflächen in der Stadt knapp sind, sollte versucht werden, die jeweiligen Begehrlichkeiten möglichst flächensparend zu befriedigen. Ein erster Entwurf liegt jetzt vor. Darin werden vier neue Stadtteile für insgesamt rund 8.000 Wohnungen vorgeschlagen. (s.Kasten) Parallel dazu sollten in räumlicher Nähe zu den neuen Stadtteilen kleinere Gewerbeflächen neu ausgewiesen werden. Planerischer Ansatz der Stadtentwickler: Wohnen und Arbeiten sollten mehr als in der Vergangenheit miteinander verzahnt werden.

Wie das gehen soll, zeigt das Beispiel Osterholzer Feldmark. Dort sollen neue Wohnungen entstehen und parallel dazu, längs der Eisenbahnlinie Mahndorf-Sebaldsbrück, auf 20 Hektar neue Fläche für sogenanntes „sauberes Gewerbe.“ Wirtschafs-Senatsdirektor Frank Haller ist dies viel zu wenig. „Das ist so eine neue Mode, Wohnen und Arbeiten wieder zusammenzubringen“, spottet er. Er will autobahnnah ein großes Gewerbegebiet in der Hemelinger Marsch, bislang noch Naherholungsgebiet. Haller: „Die Autobahnanbindung ist gut und die ökologische Bedeutung des Gebietes nicht besonders.“ Hallers magische Zahl, mit der er seine Flächenforderung begründet: 33 Hektar pro Jahr brauche Bremen, um die Nachfrage nach Gewerbeflächen künftig zu befriedigen. Denn dies sei die Fläche, die 1989 verkauft wurde. Gegen dieses Fortschreiben von alten Zahlen kommt inzwischen aus dem Haus der Umweltsenatorin heftiger Widerstand. Die Beamten dort haben nämlich etwas genauer hingeguckt und festgestellt, daß der Wirtschaftssenator bei seiner Maximalforderung auch das Güterverkehrszentrum mit dem dortigen speziellen Angebot in die reguläre Nachfrage eingerechnet hat. Und: Der Höchststand 1989 kam nur deshalb zustande, weil die Investitionszulage danach auslief und ansiedlungswillige Unternehmen deshalb noch schnell mit den Gewerbeansiedlern handelseinig wurden. Bei einer Mittelwertbildung über mehrere Jahre, so errechnete das Umweltressort, wurden im Schnitt lediglich 13,77 ha verkauft, also weit weniger als die Hälfte von dem, was das Wirtschaftressort ausrechnet.

Und noch eines paßt dem Umweltressort überhaupt nicht: Daß der Wirtschaftssenator immer noch mehr Fächen in dem von Industrie und Gewerbe geplagten Bremer Osten will. Interne Marschroute: „Die Grenzen des Wachtstums in Hemelingen sind erreicht.“

Krach bahnt sich auch um ein anderes Gebiet an: Im bisherigen Freihafen zwischen Stephani- Brücke und Utbremen findet kaum noch Güter-Umschlag statt. Deshalb läßt Häfensenator Konrad Kunick derzeit prüfen, wann der Hafen geräumt werden kann. Erstes Ergebnis laut Häfen-Senatsdirektor Otger Kratsch: Bis 1993/94 soll der Hafen im wesentlichen von der derzeitigen Nutzung freigemacht werden. Doch was dann? Während der Wirtschaftssenator damit liebäugelt, dort vor allem Gewerbe anzusiedeln, wollen die Stadtplaner es wieder umgekehrt: Vor allem Wohnen plus ein bißchen Gewerbe. Frank Haller spricht verärgert von Planungen am grünen Tisch, bei denen die Bedürfnisse beispielsweise von Eduscho und Kellog's nicht berücksichtigt seien: „Da kann man nicht mal eben hübsches Wohnen machen.“

Anfang Oktober soll in einem Spitzengespräch noch einmal der Konsens gesucht werden. Ein immer wieder gebrauchtes Argument wird auch dann wieder eine Rolle spielen. Haller: „Wenn wir nicht reagieren, schlägt der Markt zu, und die Betriebe gehen ins Umland.“ Antwort der Umweltbehörde: Auf die Dauer helfe nur eine gemeinsame Raumplanung von Bremen und dem Umland aus dem Dilemma. Zitat aus einem Planungspapier: „Bei weiterem Anstieg der Zuwanderung über das prognostizierte Limit von 16.000 Wohnungen hinaus und bei anhaltender gewerblicher Bautätigkeit ist die Verlagerung von Stadtfunktionen in das Umland unvermeidlich.“ Klartext: Die Grenzen des Flächenverbrauchs sind in Bremen erreicht. Holger Bruns-Kösters