Dem Weltstandard angepaßt

■ Gespräch mit Matthias Hoffmann, Chef des neuen Labels »Z«

Um den vollständig verlorengegangenen Kontakt zu einer sehr lebendigen DDR-Musikszene wiederherzustellen, wurde der junge Kulturmanager Matthias Hoffmann 1989 bei Amiga eingestellt. Dem Dunstkreis des »Rockprofessors an der Humboldt-Universität«, Dr. Peter Wicke, und dessen Forschungszentrum für populäre Musik entwachsen, ist Hoffmann kein Kunst-Yuppie, sondern ein Kind der Szene selbst. Es lag somit auch in seinem Interesse, einer jungen Generation von kreativ arbeitenden Musikern die Tür zu Amigas Studios zu öffnen, was mit der ersten LP von Dekadance »Die Anderen und den Skeptikern«, geschah. Hoffmann ist auch Initiator des neuen »Z«-Labels, das heute im Haus der Jungen Talente vorgestellt wird.

taz: Dein Labelkonzept will mittels einer Reihe von Bands eine bestimmte Identität transportieren. Welche meinst du?

Matthias Hoffmann: Es geht uns bei »Z« um eine alternative und innovative Rockkultur, die von jungen Gruppen in der DDR getragen wird. Sie entspringt einem Lebensgefühl, das sich mit dem Wegfall der Mauer nicht plötzlich auflöst, selbst wenn die Gesellschaft, deren Spiegel sie war, ihre Strukturen vollständig ändert. Dieses musikalische Konzept deutet sich natürlich viel zu spät und nur in geringen Ansätzen mit Feeling B und Dekadance bei Amiga an, konnte da aber aus kulturpolitischen Gründen nicht realisiert werden. Wir werden auf verschiedenen Stilebenen arbeiten und uns nicht nur auf das Gebiet der Noch-DDR beschränken. Wir wollen auch Ansprechpartner für Bands aus Westdeutschland oder West-Berlin sein.

Neben »Z« existieren sieben weitere Labels innerhalb der DS GmbH. Sitzt da etwa »Der Expander des Fortschritts« neben »Herbert Roth« in einem Boot?

Wir versuchen natürlich mittels neuer Strukturen, eine Abgrenzung der Labels zu finden. Zunächst funktioniert alles unter einem Dach, was die Abrechenbarkeit der einzelnen Bereiche betrifft, Klassik, Unterhaltungsmusik usw. Das entspricht aber durchaus internationalen Gepflogenheiten, denn ein breiter Katalog erfüllt natürlich auch Ausgleichsfunktion und ermöglicht so aufwendigere Produktionen im Jazzbereich beispielsweise. Die Labels müssen allerdings in der Lage sein, sich langfristig selber tragen zu können. Kommerzieller Erfolg von »Die Vision« oder »Die Anderen« trägt dazu bei.

Besteht nicht die Gefahr, daß bei einer möglichen Übernahme durch eine japanische Firma ökonomische Schrauben an die Stelle der SED-Reglementierung treten?

Das können nur Spekulationen sein. In der Firmenpolitik hat »Z« ein festes Standbein, nicht zuletzt durch gute Verkaufszahlen, auch unter neuen Marktbedingungen. Wir haben uns Weltstandards angepaßt, was Qualität und Zeitlimits betrifft. Für die nächste Zukunft sind wir bereits mit interessanten Künstlern im Gespräch, um die wir uns kümmern werden und wo wir auch langfristig investieren, um sie aus dem Rahmen eines lokalen Bekanntheitsgrades herauszuheben.

Welche sind das?

Das kann die »Firma« betreffen, »Kampanelle is dead«, die heute auch hier spielen werden, Pascal de Wroblewski könnte dazu gehören.

Es gibt jetzt aber auch andere Produktionsmöglichkeiten im Osten.

Ja, KPM und Peking Records. Wir kennen uns und machen auch mal was zusammen. Die »Art«- Single Miriam, I love you zum Beispiel, die wir als DS vertreiben.

DS hat bereits 200 Leute abgebaut, wird es dabei bleiben?

Ich fürchte nein, von 700 Beschäftigten werden 250 übrigbleiben. Wir versuchen, die Kollegen bei traditionellen Partnern, künstlerischen Einrichtungen oder Firmen unterzubringen. Ohne ein gesamtgesellschaftlich zu schaffendes Netz von sozialer Absicherung wird DS diesem Problem aber nicht gerecht werden können.

Auf der Einladung bezeichnet ihr euch als »zu einem nicht geringen Teil Handlanger einer stalinistischen Kulturpolitik«.

Ich bin durch die Gnade der späten Geburt von den gröbsten Auswüchsen dieser Doktrin verschont geblieben. Ich habe aber bei Amiga Zensur auf jeder Ebene erleben müssen. Viele meiner Projekte konnten realisiert werden, ich habe jedoch auch Niederlagen einstecken müssen, z.B. mit der Gruppe »Sandow«, deren Titel Born in the GDR auf der Chefetage des VEB einfach verboten wurde. Oder mit einer LP der Gruppe »Die Anderen«, die schon von meinem damaligen Redakteurskollegen nicht bestätigt wurde. Der Chefredakteur Dr. René Büttner und sein Stellvertreter sind heute nicht mehr im Amt.

Was wird den Partygästen im Haus der Jungen Talente heute geboten werden?

Viele Bands des »Z«-Labels natürlich, teilweise in neuer Besetzung. Es werden drei LPs Premiere haben: Die Art IV, Ad Acta von Der Expander des Fortschritts und das Hip- Hop-Projekt von zwei Musikern aus Schulzendorf, Electric Beat Crew. Das Kassettenlabel »Zoneton« wird ebenfalls mit einem Stand präsent sein. Das hat aber mit »Z« nur einen ideelen Zusammenhang.

Happy Birthday!

Interview: Micha Möller

Morgen abend (25.9.) um 20 Uhr im Haus der Jungen Talente, Klosterstraße.