Ein Leben nach Amiga

■ Die Deutsche Schallplatten GmbH, Erbe des alten DDR-Musikmonopolisten

Die großen Schallplattentüten gehören ebenso wie Römerlatschen zu den Erkennungsmerkmalen junger DDR-Bürger im sozialistischen Urlaubsland. Dort konnten sie nämlich die Musik kaufen, welche zwar täglich bei DT64 lief, nicht aber im Handel erhältlich war. »Pepita« in Ungarn und neue polnische Labels taten sich da mit umsatzträchtigen Produkten des aktuellen Musikmarktes nicht so schwer. Die langen Schlangen vor den Musikalienhandlungen im eigenen Land kennzeichneten sehr deutlich das Versorgungsdefizit an Tonträgern. Nicht nur von westlichen Interpreten; selbst bei einheimischen Bands war die Warendecke meist zu kurz.

Produktionen von Ostbands, die im Westen veröffentlicht wurden, sei es legal wie bei den Puhdys, Karat, etc. oder illegal, so geschehen bei Zwitschermaschine, blieben die Ausnahme. Die Entscheidungen, die beim Tonträger-Monopolisten Amiga getroffen wurden, waren in ihrer Endgültigkeit Beweis für die Ohnmacht der Künstler gegenüber der Staatsgewalt. Als Alternative existierte nur noch der Rundfunk und Fernsehen, in deren Studios produziert werden konnte. Von dort aus führte der Weg aber wieder zu Amiga, die sich per Vertrag die Rosinen herauslesen durften, um die fertigen Master irgendwann einmal zu pressen. Neben den kulturpolitischen Beschränkungen gab es auch ökonomische Grenzen für die Plattenpressung. 100 LP-Titel konnte Amiga pro Jahr veröffentlichen, um damit ein Repertoire-Spektrum abzudecken, mit dem man meinte, den sozialistischen DDR-Bürgern einen Gefallen zu tun. Davon waren ca. 25 Lizenzübernahmen, die hohe Absatzzahlen garantierten. Wahlweise folgten zu fast gleichen Teilen 14 Rock-LPs, Jazz, Lied, leichte Kost. In diesem Stil wurden jährlich 20 Millionen Mark Umsatz erzielt. Kein Wunder also, wenn wohl jedem Jugendlichen im Osten zum Thema Amiga nur Molotow einfällt. Das vorhandene Haßpotential auf die Firma genügte, um ihr Ende nur noch zu einer Frage von geschäftstechnischen Umstrukturierungen werden zu lassen, und die vollzogen sich gründlich und tiefgreifend. Der VEB Deutsche Schallplatte, unter dessen Oberherrschaft die monopolmächtige Zensurbande ihr Unwesen trieb, wurde mit Hilfe der Treuhand in die Deutsche Schallplatten GmbH (DS) überführt. Die einstigen Gesellschafter sind gleichermaßen Geschäftsführer: Paul Arnold, Chef des betriebseigenen Kassettenwerks in Berlin-Johannisthal, und Alexander Schindler, Chef des Preßwerks der DS in Potsdam-Babelsberg. Beide gehörten auf ihren Außenposten nicht zur Führungsspitze des ehemaligen VEB und sind deshalb nur unwesentlich mit dem unrühmlichen Erbe des Rechtsvorgängers belastet. Der Belegschaft wurden bisher keine Gesellschaftsanteile angeboten. Dazu sei die momentane Rechtslage zu ungeklärt, heißt es bei der DS.

In die Währungsunion ging die DS schuldenfrei, eine Voraussetzung zur GmbH-Gründung. Vorhanden sind Arbeitsgrundlagen des alten Betriebes: Grund und Boden, Inventar und ein riesiges Archiv. Die unter planwirtschaftlichen Verhältnissen erwirtschafteten Gewinne mußten, wie andere auch, an den Staatshaushalt abgeführt werden. Akkumulation und Modernisierung blieben da auf der Strecke. Trotz Rationalisierung und Personalabbau decken jetzt die Erlöse aus dem Altrepertoire und einigen neuen Produkten nicht die Aufwendungen. Die Liquidität der Firma ist mehr als nur in Frage gestellt. Bereits funktionierende Formen einer notwendigen Zusammenarbeit als Rettungsanker sind die Gründung einer Tochtergesellschaft: Warren DS GmbH. dahinter verbirgt sich ein westdeutscher Großhändler von Tonträgern, der die Produkte internationaler Firmen vertreibt und dieses Geschäft mit Hilfe der Außenlager und Verkaufskapazitäten teilweise auch mit den Angestellten der DS auf den DDR- Markt ausgedehnt hat.

Die wohl wesentlichere Kooperationsverbindung ist man mit der Westberliner Firma Magna eingegangen. Auf der Basis eines neuen Kataloges wird so der Ausverkauf des ehemaligen Eterna/Amiga-Repertoires und der Verkauf von Neuproduktionen durchgesetzt. Die DS hat für das Gebiet der DDR einen eigenen Zentralvertrieb. Magna liefert im Bundesgebiet und darüber hinaus. Das kann sich aber alsbald auch dahin entwickeln, daß Magna den Gesamtvertrieb in Ost und West übernimmt. Ob dann die DS-Angestellten übernommen werden, ist ungeklärt. Die Existenz von DS ist ohnehin nur noch durch eine schnelle und gewaltige finanzielle Investition zu retten, soll der Konkurs abgewendet werden. Eine japanische Firma, mit der man schon über Jahre gute Geschäftsbeziehungen pflegt, prüft gerade das vorgelegte Konzept der DS. Micha Möller