Der wilde Ritt ins Kleinwalsertal

■ Zwei Mountain-Biker hoch droben im Gebirge INTERVIEW

Ort dieses Gespräches in etwa 2000 Meter Höhe ist die Strindenscharte. Weit unten liegt das Tannheimer Tal und am östlichen Horizont schiebt sich die Zugspitze ins Blickfeld. Zwei Mountain Biker in voller Montur — schwarze kurze Hosen, Trikots mit grünen Diagonalstreifen, fingerlose Handschuhe und Sturzringe auf dem Kopf — stellen sich den Fragen unseres Mitarbeiters Peter Huth. Lediglich die massiven Bergschuhe zerstören das einheitliche Ambiente.

taz: Sind Sie die ganze Strecke vom Haldensee bis hier hoch gefahren?

1. Mountain Biker: Wir sind Fahrer, keine Schieber.

2. Mountain Biker: Die Strecke ist größtenteils geteert. Da gibt es für uns kaum Probleme.

Immerhin haben Sie ihre Räder hier erst einmal abgestellt.

2. MB: Wir machen zur Lockerung einen kurzen Sprint zur Sulzspitze rauf und fahren dann weiter den Saalfelder Weg über den Jubiläumsweg bis zum Prinz Luitpold Haus. Von dort geht es dann rüber zum Nebelhorn.

Warum mit dem Mountain Bike? Ich bin schon zu Fuß mächtig ins Schwitzen gekommen.

2. MB: Marlboro.

Sie machen Reklame?

1. MB: Nein, der Geschmack von Freiheit und Abenteuer. Sehen Sie, Rauchen ist verpönt; Autofahren und Motorradfahren sind verpönt. Es gibt keinen Genuß mehr, der noch unkritisiert genossen werden darf, keinen Rausch mehr, der noch unkritisiert erlebt werden darf. Da bleiben einem ja nur noch das Mountain Bike und die Berge.

Sie verknüpfen also Abenteuer mit umweltbewußten Verhalten?

Beide: Ja.

Es gibt auch Kritiker, die behaupten, Sie würden mit Ihren Touren in den Bergen Gemsen, Murmeltiere und Vögel aus ihren angestammten Gebieten vertreiben.

2. MB: Ich seh schon, auch hier können wir uns nicht entfalten.

1. MB: Die Kritik ist berechtigt. Allerdings lassen sich die Krähen durch uns nicht stören. Gemsen halten grundsätzlich Distanz zum Menschen, und die Murmeltiere, Sie können es hören, pfeifen auf uns.

Sie könnten doch auch wandern.

1. MB: Das hat dieselben Auswirkungen auf die Tiere. Außerdem erzeugen Wanderhorden größeren Krach als wir vereinzelte Mountain Biker.

Ich muß zugeben, daß mich die vielen Radfahrer auf den Wanderwegen im Tal erheblich stören.

1. MB: Deswegen sind wir ja hier oben.

2. MB: Wandern bringt nichts. Schauen Sie sich doch mal an, was hier vorbeigekarrt wird. Vom Rentner bis zum Kleinkind ist alles vertreten, seitdem die Liftunternehmen das Sommer-Bergwander-Geschäft entdeckt haben. Da kann doch von Bergwelt genießen nicht mehr die Rede sein. Die Hütten gleichen Ausflugslokalen mit Massenbetrieb. Vor einigen Jahren war das alles noch nicht so runtergekommen.

1. MB: Da muß halt was anderes her. Wir sind Pioniere. Wir suchen neue Erlebniswelten. Ich sage Ihnen, es kitzelt mächtig im Bauch, wenn ich über schmalem Grat ein Rennen fahre oder stehend den Hang abrutsche.

Was war denn für Sie bisher das größte Erlebnis?

1. MB (grinst breit): The wild ride ins Kleinwalsertal.

Wie bitte?

2. MB: Im Walsertal sind Mountain Bikes verboten. Die Leute spielen verrückt, wenn die einen von uns entdecken. Deshalb steigen wir zum Sonnenaufgang am Fellhorn auf bis zur Kanzelwandhütte.

1. MB: Prima ausgebaute Straße bis zum Gipfel.

2. MB: Von dort stürzen wir Adlern gleich ins Walsertal hinunter. Sobald wir die ersten Häuser von Riezlern erreicht haben, gibt es ein großes Gejohle, das die Leute aufschreckt. Doch ehe die mit ihren Schrotflinten die Hintern hochgekriegt haben, sind wir schon wieder unerreichbar auf dem Weg Richtung Schönblick davon.

Die Herren Biker, ich danke für dieses Gespräch.