KOMMENTAR
: Boykott und Spiele

■ In Peking haben am Wochendende die XI. Asien-Spiele begonnen

Den Machthabern des Tiananmen kam die Golfkrise wie eine Geschenk des Himmels. Die Welt hat einen neuen Übeltäter und das Pekinger Massaker allmählich vergessen. Dabei scheuen die Hardliner der KP keine Mittel, dem chinesischen Volk stets von neuem zu vergegenwärtigen, daß Menschenrechte teilbar sind. Zur Wahrung von „Recht und Ordnung“ wurden noch Anfang letzter Woche 64 Menschen Opfer einer Massenexekution. In der Dritten Welt, als deren Vertreter sich China seit dem Schulterschluß zwischen Moskau und Washington gerne wieder behauptet, gelten andere Maßstäbe, entgegnete Peking auf Anschuldigungen der Londonder Menschenrechtsorganisation amnesty international. Mit einer rigorosen Säuberungs- und Exekutionskampagne hat Peking seit Beginn des Jahres Protesten, die sich im Schutze der internationalen Öffentlichkeit artikulieren könnten, vorgebeugt.

Unter der Devise „Einheit — Freundschaft — Fortschritt“ gelang es den Organisatoren, fast alle 38 Mitglieder des Olympischen Rats Asiens (OCA) nach Peking zu bringen, selbst Taiwan und die portugiesische Kolonie Macao sind mit eigenen Mannschaften vertreten — nicht zuletzt weil die Isolation Chinas die asiatische Gemeinschaft noch enger zusammengeschworen hat. Durch eine kooperative Haltung im Kambodscha-Konflikt, aber auch mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Indonesien und bald zu Singapur hat sich Peking außenpoitisch wieder auf Erfolgskurs manövriert. Im Austausch gegen die Freilassung Fang Lizhis hatten die USA bereits im Mai wirtschaftliche Vergünstigungen garantiert. Auch die Bundesregierung erwägt ein Abrücken von der Sanktionspolitik. Und nachdem China nun im UNO-Sicherheitsrat für den Boykott seines größten Waffenabnehmers, nämlich des Irak, gestimmt hat, scheinen die Befehlshaber vollends rehabilitiert.

Ein Boykott des chinesischen Propaganda-Marathons, der lange vor Juni 1989 gestartet wurde, stand also längst nicht mehr zur Debatte. Als Fackelträger eines „brennenden Patriotismus“, durfte KP-Chef Li Peng gar seinen Geburtstag unter 300.000 Ausgewählten auf dem von allen Spuren gereinigten Platz des Himmlischen Friedens begehen.

Boykott drohte erst wieder von saudi-arabischer Seite für den Fall, daß die irakischen Sportler an den Spielen teilnehmen würden. Mit der Entscheidung des OCA, den Irak von den Spielen und vom Rat auszuschließen, steht China nun auf der Seite der Boykotteure. Solange aber zwischen der chinesischen Außen- und Innenpolitik eine solch menschenverachtende Lücke klafft, gibt es keinen Grund zum Feiern. Simone Lenz