Reiche Länder schnüren Hilfspaket

USA demonstrieren beim G-7-Treffen ungewohnte Großzügigkeit/ Zentrale Fragen ignoriert  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Die zu der sogenannten G-7-Gruppe zählenden führenden Industrieländer haben am Samstag in Washington ein Hilfspaket für die von der Golfkrise betroffenen Anrainerstaaten beschlossen. Die im Vorfeld der Jahrestagung von IWF und Weltbank tagenden Finanzminister und Notenbankpräsidenten aus USA, Japan, BRD, Frankreich und Großbritannien wollen Details der finanziellen Hilfsmaßnahmen noch in dieser Woche ausarbeiten. Die USA gehen dabei für die drei Frontstaaten Ägypten, Jordanien und Türkei von einem Finanzbedarf von rund 14 Milliarden Dollar aus, die EG hatte dagegen bisher nur von insgesamt neun Milliarden Dollar gesprochen. Aus dem IWF-Fond sollen dazu noch sieben Milliarden Dollar kommen, vor allem für die vom Gastarbeiterproblem durch die Golfkrise indirekt betroffenen Staaten wie Bangladesch, Sri Lanka und Pakistan.

Von dieser Vereinbarung rascher Hilfsmaßnahmen abgesehen, scheinen sich die Finanzminister, Notenbankpräsidenten und IWF-Chef Camdessus auf der samstäglichen Sitzung in Washington nur gegenseitig vorgefertigte Erklärungen vorgelesen zu haben. Trotz erheblicher wirtschaftlicher Probleme und der auseinanderlaufenden wirtschaftlichen Entwicklungen in den Wachstumsstaaten Japan und BRD auf der einen und den Rezessions-Kandidaten USA und Großbritannien auf der anderen Seite, gratulierte man sich in einem an Plattitüden kaum noch zu übertreffenden Kommunique zum neunten aufeinander folgenden Wachstumsjahr und zur guten wirtschaftlichen Koordination. Eine Auseinandersetzung über die brennenden Fragen in der jeweiligen Zins-, Haushalts-, und Steuerpolitik der Länder fand offenbar nicht statt. Bundesfinanzminister Waigel erklärte den zu diesem Nichtereignis nach Washington mitgeflogenen Wirtschaftsjournalisten, niemand aus der illustren Runde habe der Bundesrepublik „den Rat gegeben, Steuererhöhungen durchzuführen“. Offenbar glauben die Finanzminister zusammen mit dem Weihnachtsmann und dem bundesdeutschen Wähler immer noch, daß die Wiedervereinigung allein mit „Sparmaßnahmen und Umschichten“ zu finanzieren ist. Die G-7-Gruppe hieß die Wiedervereinigung willkommen und erhofft sich von ihr „einen Beitrag zu positiven wirtschaftlichen Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa“. „Nicht den Anflug einer Kritik“ habe es an der deutschen Wirtschaftspolitik gegeben, versicherte Waigel.

Der Frage der drohenden internationalen Kapital-Knappheit wurde mit dem Appell zu einer Steigerung der Sparraten begegnet, so, als wolle man dem Kredit-Junkie USA statt des Stoffes jetzt eine mehrjährige Entziehungskur anbieten.

Die einzig diplomatische Schelte der G-7-Gruppe traf schließlich eines der Schuldnerländer. Man erwarte von Brasilien, so die Abschlußerklärung, daß es seine Zahlungsprobleme mit seinen privaten Kreditgebern vor der Annahme eines neuen IWF-Kredites doch bitte erst klären möge. Damit sind auch die Finanzminister auf die Linie der kommerziellen Banken eingeschwenkt, neue IWF-Kredite an die Wiederaufnahme der Tilgung für alte Schulden abhängig zu machen. Erst Anfang der Woche hatte die Bankenlobby beim IWF gegen die Gewährung eines Zwei-Milliarden-Dollar-Kredites an Brasilien protestiert.

Eine grundsätzliche Diuskussion der dringlichen Schuldenproblematik war ebensowenig angesagt wie die verschobene Finanzhilfe an die Sowjetunion. Derzeitig, so hatte IWF-Chef Camdessus den Mitgliedern der G-7-Runde referiert, arbeiteten die Experten von Weltbank und IWF noch an der Zusammenstellung von Wirtschaftsdaten über die Lage in der Sowjetunion. Und vorher läuft nichts.

Im Augenblick konzentriert man sich ganz auf die Krise am Golf, wo die Amerikaner in der Ministerrunde auf der Gleichzeitigkeit wirtschaflicher, diplomatischer und militärischer Anstrengungen verwiesen. Und beim finanziellen Hilfspaket für die Frontstaaten demonstrierten die USA ungewohnte Großzügigkeit. Die Bush-Administration scheint sich die Unterstützung der Frontstaaten mit aller Macht erkaufen zu wollen: für den Fall aller Fälle.