Bismarckhering-Plakat mit bösen Folgen

■ Sechs Strafanzeigen und 3.200 Mark Geldstrafe wegen Überkleben von Wahlplakaten

Berlin (taz) — Böse Folgen hatte die Warnung vor dem versalzenen Bismarckhering — vergleiche nebenstehende Dokumentation —, die die MünchnerInnen Susanne Putzer und Alexis von Lieven in Privatinitiative herausgaben. Das Plakat war ihr persönlicher Beitrag zum Münchner Kommunalwahlkampf im Frühjahr dieses Jahres: Bewaffnet mit Eimer und Malerbürste radelten Studentin Putzer und Maler von Lieven von Plakatständer zu Plakatständer und überklebten — ohne Rücksicht auf die Absender — ermunternde Werbemachwerke bayerischer Parteien.

Insgesamt 80 Plakate der „Republikaner“, der Bayernpartei, der Jungen Liste e.V., der SPD, der FDP und der NPD in der Richard-Strauss- Straße mußten so dran glauben, bevor die beiden Kreisvorsitzenden der „Republikaner“ die subversiven Elemente beobachteten und eine Polizeistreife dazu anhielten, Einhalt zu gebieten. Der Fluchtversuch Putzer/Lieven mit dem Fahrrad scheiterte, 41 weitere „Bismarckherings- Plakate“ samt Eimer und Malerbürste wurden beschlagnahmt, die Delinquenten „der Haftanstalt beim Münchner Polizeipräsidium überstellt“, so der Bericht der Polizeiinspektion 22.

Sechs Strafanzeigen gegen von Lieven und Putzer wegen Sachbeschädigung gingen bei der Staatsanwaltschaft ein, nur die FDP verzichtet, da es sich „um bloße Plakatüberklebung ohne Beschädigung an Plakatständern“ handelt. Ein teurer Spaß für die private Plakataktion: 2.400 Mark möchte die Staatsanwaltschaft von Alexis von Lieven, 800 Mark von der Studentin Susanne Putzer. Die beschädigten Wahlplakate kosteten lediglich 200 Mark.

Kein Widerspruch gegen das Urteil, aber Alexis von Lieven, übrigens Stiefsohn des Münchner SPD- Bürgermeisters Christian Ude, möchte seine 40 Tagessätze à 60 Mark lieber im Münchner Gefängnis absitzen. „Der Verwaltung bereitet die ungewöhnliche Entscheidung noch Schwierigkeiten“, so Lieven gegenüber der taz. Einstweilen haben die beiden Plakat-Aktivisten München den Rücken gekehrt und sind nach Berlin gezogen. Karin Mayer