„Mein Gott, ihr kriegt doch euern Kohl!“

PDS-Familienfest ohne Kohlkopfschießen/ Junge Rechte störten massiv Veranstaltung  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Einige GenossInnen illustrierten ihre Meinung zum Einigungsvertrag besonders sinnfällig: Sie kündigten für das PDS-Familienfest am Sonnabend in Dresden ein Kohlkopf- und ein Bundesadlerschießen an. Kaum klebten die Plakate, läuteten im PDS- Stadtvorstand die Telefone heiß und die Boulevardpresse hatte ihre Schlagzeile. Darauf hieß es aus dem Parteihaus: Es wird keine Schießerei geben.

Zum Familienfest auf den Elbwiesen kamen über 5.000. Regenschauer ließen weder Gerhard Gundermann und Gruppe, noch die Verlage und Händler einpacken. Der 'Eulenspiegel‘ neben dem 'Neuen Deutschland‘, die 'Weltbühne‘ und die 'Volkszeitung‘, die 'SAX‘, das Dresdner Stadtmagazin, 'Rotbuch Verlag‘, taz und 'Emma‘ hatten auf der zum „D“ gekringelten Verkaufstraße drei Stunden lang keine Langeweile. Flankiert waren sie von „P“ der Kinderspiele und dem etwas verwaisten „S“.

Nach dem Wahlansprachen von DSU bis SPD in den vergangen Tagen setzte die PDS auf Unterhaltung. Der sächsische Spitzenkandidat Eberhard Langer, vormals Oberbürgermeister von Chemnitz, Volkskammerabgeordnete Christine Ostrowski und andere PDSlerInnen konnte ausfragen wer wollte. Dazu gab es das Wahlprogramm aus einheimischer Produktion wie das Pilsner. Statt die Kinder auf irgend einen Kohl schießen zu lassen, drückten ihnen die „Jungen GenossInnen“ meterlange mit Gas gefüllte Luftballons in die Hände.

Abends sollte Gregor kommen. Bevor der Parteichef unterm PDS- Sonnenschirm mit seinen „Linksauskünften zu Rechtsfragen“ begann, hatten sich einige Abteilungen Schuljungs aus der rechten Szene eingefunden, zum Teil vermummt und mit Stichwaffen ausgerüstet. Bereits am Nachmittag hatten sich in der Innenstadt etwa 150 Mann zu einem Marschblock formiert, mit der Absicht, die PDS-Fete zu stören. Nationalsozialisten, wie ein 16jähriger bei der Gysi-Talk-Show zu verstehen gab. Als Gregor Gysi die ersten Fragen beantwortete, flogen Eier und Flaschen in die Menge. Sprechchöre, wie sie schon bei Oskar Lafontaine geübt wurden, und brennende Fahnen gaben Gysi das erste Stichwort. Die PDS sei gegen deutsche Hegemoniebestrebungen. Gerade ihre Vergangenheit helfe der Partei, ihre Verpflichtungen gegenüber den ehemaligen DDR-Bürgern zu erkennen.

Auf die Buh-Rufe von rechtsaußen parierte Gysi: „Mein Gott, ihr kriegt doch Euern Kohl!“ Notwendig sei, einer Entsolidarisierung der ArbeitnehmerInnen von Ost und West zu begegnen. Gemeinsam sollten sich die äbhängig Beschäftigten für höhere Löhne und für Ökologie stark machen. Deshalb, so Gysi, „bin ich stolz auf das breite linke Bündnis, das vor einigen Monaten noch undenkbar schien.“ Es gäbe unterschiedliche Linke Positionen, die nicht verwischt, sondern betont werden sollten.

Deutschland habe nie an zuviel, sondern immer an zuwenig Opposition gelitten. Die PDS sei vielfältig aber nicht beliebig. Mit Stalinisten, Sektierern und Extremisten habe sie nichts am Hut. Sofort bekam er aus der Menge das Kohlkopfschießen serviert. „Das ist nicht unser politischer Stil und er sollte es auch nie werden.“

Nach seiner Meinung zum Auftritt von Rainer Börner in der Volkskammer befragt, erklärte der Parteichef: „Es war seine eigene Entscheidung, die ich unterstütze.“ Er freue sich, daß ein PDS Abgeordneter diesen Schritt zuerst gegangen ist. Nun sollten auch ein Herr Jürgen Schwarz, (DSU ) und andere zu ihrer Biografie stehen können.

Währenddessen brachte sich die „Nationalsozialistische Jugend“ lautstark um die Gelegenheit, einige Sätze über die Erneuerung der SED- Nachfolgepartei zu hören. Etwa, das 90 Prozent der ehemaligen Leiter aus der Partei ausgetreten sind, „nämlich aus dem gleichen Grund, aus dem sie eingetreten waren“.

Ein Grüppchen junger Rechter hatte sich bis zum Sonnenschirm durchgedrängelt und die Frage nach oben gegeben, was denn Gysi von der Rechten halte. „Rechtskonservatismus gehört zur politischen Kultur einer pluralistischen Demokratie.“ Rechtsradikalismus dagegen müsse, besonders in Deutschland überwunden werden. Aber nicht durch Gewalt, sondern durch Bildung. Kommentar von unten: „Ich will nicht von einem Juden regiert werden. Ich will diese Menschen ausrotten.“