„Ich kann nicht ab morgen Nähmaschinen machen“

■ Interview mit dem Geschäftsführer der „Systemtechnik Nord“ / 2.460 MitarbeiterInnen / taz-Rüstungsserie Teil V

Hans E.W. Hoffmann ist Geschäftsführer der „Systemtechnik Nord“. Und damit erster Mann in einem beachtlichen wehrtechnischen Imperium mit Sitz in Bremen und 2.460 MitarbeiterInnen. Im Angebot hat die Systemtechnik Nord „Minenjagdboote“, unbemannte Fluggeräte, „Drohnen“ genannt und auch „Schiffselektrik“.

Im Gegensatz zu anderen größeren Bremer Unternehmen wie „Eduscho“, „Krupp Atlas Elektronik“ oder „Klöckner“ ist die „Systemtechnik Nord“ in der Öffentlichkeit eine Unbekannte. Dies liegt nicht daran, daß in der Chefetage Heimlichtuer sitzen, sondern daran, daß das Unternehmen erst seit dem 15. Mai als solches firmiert. Für mehr Bekanntheit will Hans E.W. Hoffmann auch persönlich sorgen. Darum auch erklärte er sich zu dem Interview bereit.

taz: Haben Sie von den Veränderungen im Verteidigungsministerium etwas zu spüren bekommen?

Hans E. W. Hoffmann: Aus unserer Sicht ist das wesentlichste Merkmal, daß es im Moment keine Planungssicherheit gibt. Bei unserer Auftragslage an kleineren, kurzlebigen Sachen sind bereits 1991 ein paar Fragezeichen. Bei den ganz großen Projekten wie den Minenjagdbooten betrifft das erst die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts.

Es sind ja noch keine Aufträge gestrichen worden, so ist der Prozeß nicht. Aber alles, was in der Zukunft liegt, da weiß ja noch kein Mensch, wo es hingeht.

Womit wollen Sie Ihre Kapazitäten alternativ auslasten?

Ich kann nicht sagen, ich mache ab morgen Nähmaschinen. Da verstehen wir nichts von. Aber durch die Kampf- und Minenbootverteidigung sind wir Unterwasser-Spezialisten. Deshalb haben wir uns als ein neues Gebiet die Sanierung des Kanalnetzes ausgesucht.

Wir wollen die Unterwasser-Sensorträger dazu benutzen, in einer dritten Generation von Robotern, für die Karthographierung und die Schadenserkennung der Kanalsysteme einzusetzen. Wir haben uns mit einer großen Baufirma zusammengetan und mit dem Bremer Amt für Stadtentwässerung, die hier die Kanalnetze betreiben. Das wird zum Teil vom Bundesforschungsministerium gefördert.

Haben Sie den Auftrag schon in der Tasche?

Den erwarten wir bis Ende des Jahres.

Wann haben Sie angefangen, über Konversion nachzudenken?

Die Entscheidung zu dem Thema haben wir im März getroffen.

Wir haben ein zweites Thema. Das ist die Computer-unterstützte Ausbildung. Das sind Rechnerprogramme, die wir auch in der Wehrtechnik entwickelt haben. Zum Beispiel: Der Käufer, der ein kompliziertes System kauft, kriegt ein Programm mit nach Hause, tut das in sein Rechner oder in sein Videogerät und kriegt dann eine komplette Darstellung der Bedienung seines Geräts.

In welchem Stadium ist das Projekt?

Wir haben diese Fähigkeit im April auf der CeBit in Hannover ausgestellt. Wir wir meinen, mit sehr gutem, unerwarteten Erfolg...

Haben Sie eigentlich keine Angst vor der Konkurrenz, wenn Sie Ihre Ideen so der Reihe nach ausplaudern?

Doch. Wenn Sie das alles in die Zeitung schreiben, sitzt bei Krupp Atlas Elektronik sofort einer und sagt: Oh, gute Idee. Können wir auch machen. Und deswegen kann ich das auch nicht auf dem Marktplatz diskutieren. Die gesamte deutsche Rüstungsindustrie ist heute auf dem Sprung.

Krupp Atlas Elektronik in Bremen spitzt sich ebenfalls auf das Bremer Kanalsystem.

Ja. Natürlich. Das ist doch klar. Die haben ähnliche Qualitäten in ihrer Entwicklung wie wir, und wenn die da sitzen und nachdenken, kommen die auf ähnliche Lösungen.

Der Staat läßt uns allein. Der Staat sagt: Ich kürze das Rüstungsbudget. Er sagt aber nicht: Dann gebe ich das Geld aber den Firmen, damit sie Konversion machen können. Sondern er sagt: Firmen, Ihr müßt jetzt Konversion machen. Das Leben ist ein Kampf.

In der Öffentlichkeit wird nicht gesehen, welche Schwierigkeiten wir intern mit der Konversion haben. In der Übergangszeit werden wir in der Firma beides nebeneinander haben: Hier steht der öffentliche Auftraggeber mit seiner Kostenstruktur und verlangt auf jedem Papier zehn Stempel mit der Qualitätskontrolle, und daneben steht der Mann mit dem Kanalnetz und sagt: billiger, billiger.

Hier auf dem Werksgelände gibt es seit 1982 eine der ersten bundesdeutschen Arbeitsgruppen von Gewerkschaftern zur Rüstungs- Konversion, zur „Alternativen Fertigung“. In den Hochphasen haben sich da 70 bis 100 Beschäftigte dran beteiligt. Haben Sie diese Aktivitäten wahrgenommen?

Ich habe das jetzt erst erfahren.

Haben Sie da nicht eine Chance verpaßt? Ist es jetzt nicht zu spät, mit dem Umdenken anzufangen? Jetzt, wo alle anderen Unternehmen auch auf den Trichter mit den zivilen Produkten kommen?

Nein, überhaupt nicht. Wir sind ja ein gutes Unternehmen. Generalauftragnehmer vom Verteidigunsministerium. Wir sind das Minensuch- und Minenzerstörungs-Unternehmen in der Bundesrepublik überhaupt. Das ist ja nichts Ungesetzliches. Wenn Sie solche Kunden, solche Spezialitäten haben... Das ist doch eine tolle Sache. Ich kann mir nur für Bremen wünschen, daß wir noch mehr Minensucher bauen.

Ich habe überhaupt kein Problem, daß ich in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren hier eine Richtungsänderung hinkriege.

Für die Belegschaft ist von den neuen Ansätzen noch nicht viel erkennbar. Wie machen Sie das konkret, das Umsteuern?

Wir rüsten die verantwortlichen Projektleiter aus mit einem hohen Grad an unternehmerischer Freiheit im Unternehmen. Wir geben ihnen ein paar zig tausend Mark. Und sagen Ihnen: Damit kannst Du machen, was Du willst. Damit kannst Du eine Reise machen, einen Berater anheuern... Du sollst nicht hier eingespannt sein und sieben Chefs fragen müssen. Für Dein Produkt legst Du uns in einem halben oder in einem Jahr einen vollständigen Geschäftsplan vor. Da sagst Du uns: Wie sieht der Markt aus? Was sollen wir investieren? Man muß natürlich Typen finden, die so ein bißchen Unternehmertypen sind. Die gibt es ja unter neunhundert Menschen. Davon haben wir jetzt einige konkret laufen.

Wenn Sie in fünf Jahren wiederkommen, kann ich Ihnen ein paar Bilder zeigen, vielleicht können wir uns auch was angucken von der Hardware. Wenn wir das in vier bis fünf Jahren nicht schaffen, daß wir zu so einem Punkt kommen. Dann haben wir echte Probleme.

Interview: Barbara Debus