Tod durch exorzistische „Abtreibung“ in Spanien

Elfjähriges Mädchen starb an satanischen Riten: Sie sei vom Teufel geschwängert worden/ Das „schwarze Spanien“ bricht immer wieder durch die oberflächliche Moderne des Landes/ Meist geht es um die Ehre, die von den Frauen gewahrt wird  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Merkwürdige Geräusche, Gesänge und Schreie wollen die Nachbarn nachts gehört haben. Um zehn Uhr morgens, berichten sie, sei Jesus Fernandez dann mit hervorquellenden Augen aus seinem Haus gerannt und habe die Polizeiwache seines Dorfs in der Provinz Valencia aufgesucht. Als diese bei ihm zu Hause eintraf, lag seine elfährige Tochter Rosa bereits Stunden tot in ihrem Bett. Vier Frauen nahm die Polizei im Sterbezimmer des Mädchens fest: seine Mutter, seine Tante und zwei Nachbarinnen. Zwei Tage lang, so der Polizeibericht, hätten diese vier Frauen satanische Riten an dem Mädchen ausgeübt, da sie „vom Teufel schwanger gewesen sei“, wie die Mutter aussagte. Dabei hatten sie der Kleinen den Bauch aufgeschlitzt und mit der Hand die Eingeweide herausgezogen. Auch die Mutter des Mädchens wies bei der Verhaftung blutige Verletzungen auf, und eine der beiden Nachbarinnen, die wegen verschiedener Blutergüsse ins Krankenhaus gebracht wurde, weigerte sich, sich behandeln zu lassen: Sie habe von schwarzen Kräften Prügel erhalten, erklärte sie dem Krankenhauspersonal, und die heilige Lucia werde sie heilen.

„La Espana negra“, das schwarze Spanien, wird in letzter Zeit immer häufiger sichtbar und überdeckt das Bild des modernen, laizistischen, rationalen Landes, das die herrschenden Sozialisten im In- wie im Ausland zu erzeugen bemüht sind. Im vergangenen Februar fiel im andalusischen Granada eine 36jährige Frau einer grausigen Mischung aus Exorzismus und Abtreibungspraktiken zum Opfer, angeblich, um sie von einer Besessenheit zu befreien. Und erst wenige Wochen ist es her, seit in dem Dorf Puerto Hurraco in der Provinz Extremadura zwei Brüder unvermittelt auf ihre Nachbarn ballerten und dabei sieben Personen umbrachten und neun schwer verletzten. Der Grund lag in einer alten Fehde zwischen zwei Familien, der angeblich die Mutter der beiden Männer zum Opfer gefallen war.

Die Szenarien ähneln sich: der gewaltsame Tod bricht jeweils in friedliche weißgekalkte Dörfer in abgeschiedenen, unterentwickelten Gegenden ein, wo man noch mit dem Maultier Lasten transportiert, wo jeder jeden kennt, seit Generationen, und wo sich das alte, das „tiefe Spanien“ — seit wenigen Jahren erst — mit dem modernen mischt. Jedesmal geht es um die Ehre: Wenn die elfjährige Rosa verdächtigt wird, schwanger zu sein (zu Unrecht, wie die Autopsie feststellt), dann kann der Vater nur der Teufel sein, und die Schande muß beseitigt werden, zur Not durch den Tod. Eine risikofreie Abtreibung in einer Klinik — wenn denn eine Schwangerschaft vorgelegen hätte — scheint nicht in diese Welt zu passen. Und wenn die Familie Izquierdo seit dreißig Jahren wegen einer Handbreit Land mit der Familie Cabanillas in Fehde liegt, dann muß auch das irgendwann mit dem Tod enden — scheinbar.

Wahrer der Familienehre sind die Frauen: kleine, schwarzgekleidete, ewig trauernde Frauen, unverrückbar in ihren Überzeugungen und Herrinnen im Haus. Frauen sind es, die die kleine Rosa durch ihre Riten töten — und neben einem „Heiler“ nahmen auch an den exorzistischen Riten in Granada, bei denen eine Frau starb, nur Frauen teil. Und Frauen sollen es gewesen sein, die die beiden Brüder Izquierdo in Puerto Hurraco zu dem Massaker gebracht haben: deren beide Schwestern, die seit Jahren in ihrem Haus verschanzt lebten, ohne es je zu verlassen, allein mit dem Andenken an ihre Mutter, die bei einem Brand starb, und allein mit den Rachegedanken.

Die Bilder nach den Verbrechen gleichen sich: verstörte, kleine gedrungene Männer, die nicht begreifen können, was geschehen ist. Und verhuschte, aber gleichzeitig beinharte spindeldürre Frauen, die nicht begreifen, wieso ihre Taten Horror auslösen: in ihrer Welt mußten sie so handeln.

Und schließlich Jugendliche aus dem Dorf: Adidas-Schuhe an den Füßen und den Horror im Gesicht, laufen sie hinter den Särgen her. Das schwarze Spanien scheint ihnen fremd. Doch auch die elfjährige Rosa war ein solches Mädchen. Entziehen konnte sie sich den Zwängen der Frauen offensichtlich trotzdem nicht.