Zufallstreffer und Blindgänger

■ Hunderte von Atommüllfässern sollen in diesen Tagen von Gorleben nach Duisburg überführt werden Ob und wie viele der brisanten „Mol-Fässer“ mit auf die Reise gehen, weiß niemand so genau

Berlin (taz) — Ein neuer Anlauf zur endgültigen Entsorgung des Transnuklear-Atommüllskandals von 1987/88 steht unmittelbar bevor. Ab heute rechnen Anti-Atom-Bürgerinitiativen mit dem Abtransport Hunderter Atommüllfässer aus dem Gorlebener Faßlager zur Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) in Duisburg-Wanheim. Dort sollen die teilweise aufgeblähten Fässer mit schwach- und mittelaktivem Atommüll in ehemaligen Lagerhallen des Thyssen-Konzerns „umkonditioniert“ werden. BIs in Gorleben und Duisburg fürchten allerdings, daß sich, entgegen offizieller Darstellungen, unter den Fässern auch eine Anzahl jener 302 „Mol-Fässer“ befinden werden, deren genauen Inhalt bis heute niemand kennt.

Auf Druck der Bürgerinitiativen entschied die rot-grüne Regierung in Niedersachsen, die Mol-Fässer nicht nach Duisburg zu entsorgen, sondern in den Kernforschungsanlagen Jülich und Karlsruhe untersuchen zu lassen. Die Mol-Fässer, in denen auch unbekannte Mengen Kernbrennstoff (also unter anderem Plutonium) vermutet werden, dürfen von der GNS nicht behandelt werden. Im Zentrum der Kritik steht nun das Verfahren, mit dem die GNS- Tochter Brennelemente-Lagergesellschaft (BLG) und der TÜV die 302 Mol-Fässer aus den insgesamt 1.290 in Gorleben untergestellen Fässern aussortieren wollen. Mit Hilfe eines sogenannten Gammascanners soll aus der Strahlung der „Leitnukleide“ Kobalt 60 und Cäsium auf den Gehalt an Kernbrennstoffen, also zum Beispiel Plutonium, rückgeschlossen werden. Dies ist jedoch nach Auffassung der BIs bei Atomabfällen unbekannter Herkunft nicht möglich. Bei dem Verfahren handele es sich um „reines Blendwerk“.

Bestätigung fanden die Duisburger Atommüllgegner jetzt beim Öko- Institut in Darmstadt. Das Verfahren sei „in keiner Weise geeignet, den Inhalt der Fässer mit in Mol behandelten Abfällen zu bestimmen“, erklärte der Physiker Christian Küppers. Insofern könne „über diese Methode auch keinesfalls entschieden werden, ob die betreffenden Fässer in Duisburg nach der Genehmigungssituation der GNS angenommen werden dürfen“.

Beim Aussortieren werde es mit Sicherheit „Zufallstreffer und Blindgänger“ geben, meinte der Sprecher der BI Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke. In Duisburg ist man besonders darüber empört, daß ausgerechnet ein Atomiker an der Entsorgung der Fässer beteiligt ist, der im Zusammenhang mit der Transnuklear-Affäre ebenfalls schwer belastet worden war: GNS-Geschäftsführer Henning Baatz war seinerzeit vorgeworfen worden, ebenfalls an Atommüllschiebereien verdient zu haben. Die Duisburger BIs wollen den Fässern einen „gebührenden Empfang“ bereiten. gero