Klein Wackersdorf bei Dresden

Bürgerinitiative fordert Abbruch des Forschungsreaktors in Rossendorf bei Dresden/ Unterschiedliche Ergebnisse bei der Bewertung von radioaktiven Emissionen/ Forscher wollen Anschluß nicht verpasssen  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Den Abbruch des Reaktorbetriebes im Kernforschungsinstitut Rossendorf bei Dresden fordert die örtliche „Gruppe Ökologie der Bürgerinitiative Bühlau“. Die Bürger berufen sich auf den Jahresbericht 1990 des Staatlichen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz, wonach die Emission von radioaktivem Jod und Aerosolen in dem 1956 am Rande der Elbmetropole errichteten Forschungszentrum an manchen Tagen bis zu fünfmal so hoch ist wie im Kernkraftwerk Greifswald. Das Institut verweist demgegenüber auf Ergebnisse der Strahlenmeßstelle des Westberliner Senats: Stichproben ergaben, daß die Emissionen nur 0,1 Prozent der natürlichen Strahlung betragen. Rossendorf baut auf eine Zukunft in der gesamtdeutschen Forschung. Energie, Gesundheit und Umwelt, Material- und Oberflächenforschung, Kernphysik und Schwerionenforschung sowie die Anwendung der Informationstechnik offeriert es als „gute Möglichkeiten, die Erfahrungen der Forscher einzubringen“.

Mit der Wahl eines neuen Institutsdirektors und eines Betriebsrates meint die Belegschaft den entscheidenden Schritt für den Fortbestand der Großforschungseinrichtung gegangen zu sein.

Den zweiten Schritt behält sich nun das Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz vor. Es arbeitet am letzten Teil eines an bundesdeutschen Gesetzen orientierten Genehmigungsverfahrens für den Reaktor. Fällt der Reaktor durch, werde man, wie Vorstandsmitarbeiter Dr. Gerd Uhlmann erklärte, Konsequenzen ziehen und den Reaktor entweder abschalten oder nachrüsten.

Quelle der erhöhten Strahlenbelastung ist weniger der Forschungsreaktor als die Herstellung von radioaktiven Medikamenten. Der von der Bürgerinitiative nach Rossendorf eingeladene Marburger Nuklearmediziner Prof. Horst Kuni verglich das Dreischrittverfahren zur Herstellung von Spaltmolibdän mit der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf.

Zwar werden „nur Labormengen verbrauchter Kernstäbe“ aufbereitet, dafür aber bereits nach einer „Abkühlzeit von nur etwa 50 Stunden“. Dadurch werden große Mengen kurzlebiger Nuklide freigesetzt, was die unterschiedlichen Meßergebnisse erkläre. Die in Rossendorf hergestellten Pharmazeutika dienen der Diagnostik und der Therapie in Spezialkliniken, wofür es, wie das Institut auf einem Bürgerforum formulierte, noch keine Alternative gebe. Die Bürgermeister der umliegenden Gemeinden sollen erst in den nächsten Wochen auf einen größten anzunehmenden Unfall im Forschungsinstitut vorbereitet werden.

Indessen sehen sich die Rossendorfer Forscher auf ein politisches Vehikel gezerrt, obwohl es dringendere Probleme für die Politiker gebe. Die Forscher möchten die potentiellen Gefahren einer kerntechnischen Anlage eingereiht in alle anderen Gefährdungen der Zivilisation sehen. Darauf läßt sich aber die Bürgerinitiative nicht ein. Und auch nicht auf die Hoffnung, daß bald die Ökonomie des Marktes über die Zukunft des Kernforschungsinstitutes mit seinen 1.600 Arbeitsplätzen entscheiden wird. Für den nächsten Sonnabend, 10 Uhr, ruft die Initiative zu einer Demo in Rossendorf gegen Reaktor und Labor auf.