Sattes Mahl für Bremer CDU

■ Landesparteitag: Einheitslob und Bremer Perspektiven nach dem Anschluß

Außerordentliche Gäste beim außerordentlichen Landesparteitag der Bremer CDU: Als sich am Montag abend rund 250 christdemokratische Delegierte im Bürgerhaus Vahr trafen, um über die Zukunft Bremens nach der deutschen Einheit öffentlich zu reden, traten nicht nur die üblichen, parteinahen Organisationen wie Arbeitgeberverbände und Handelskammer ans Rednerpult, sondern auch Gewerkschafter, Umweltschützer und Künstler.

Doch bevor die Delegierten fremde Gerichte aus der Arbeitnehmer-, Ökologie- und Kunstküche probieren konnten, gab es Hausgemachtes vom Landesvorsitzenden Bernd Neumann. Neumann präsentierte eine deftige Vereinigungsplatte, garniert mit reichlich Eigenlob.

Die Einheit sei eine einmalige Leistung der Bundesregierung, die in aller Eile natürlich noch einiger Korrekturen bedürfe. Vor allem die Anerkennung der Bodenreformen 1945 bis 1949 auf dem Gebiet der späteren DDR hat auf Neumanns Zunge einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Kräftig Nachwürzen will der Bremer auch beim Paragraphen 218. Die derzeitige Übergangslösung sei viel zu fade.

„Das, was jetzt auf uns zukommt, sind nicht die Folgen der Marktwirtschaft, sondern die Folgen von 40 Jahren Sozialismus“, erklärte Neumann die schwerverdaulichen Folgekosten. Der Bremer will die Vereinigung nicht mit Steuererhöhungen bezahlen, sondern durch eine höhere Kreditaufnahme des Bundes. „Es ist nur recht, wenn nachfolgende Generationen auch noch an diesen Summen beteiligt werden“, erklärte der CDU-Landeskoch.

Zur Eröffnung der Diskussion wurde den Delegierten dann ein Thesenpapier des Fraktionsvorsitzenden Peter Kudella eingeflößt. Bremen müsse eine „neue Dynamik“ entfalten, wenn es die künftigen „Herausforderungen“ bestehen wolle. Sparsame Haushaltspolitik, Ausbau von Forschung und Infrastruktur, gezielte Ansiedlungspolitik für Unternehmen und massenkulturelle, attraktive Veranstaltungen sind die Ingredienzen, aus denen Kudella in den kommenden Jahren die Bremer Suppe kochen möchte.

Die erste, die den Einheitsbrei an diesem Abend nicht mitessen wollte, war Martina Rudloff, Leiterin des Gerhard-Marcks-Hauses. „Was sie sich als Kultur vorstellen, ist eine Kommerzkultur für Unternehmer und Touristen“, wetterte Rudloff in die gesättigten Delegiertengesichter. Kulturpolitik sei nicht Selbstzweck, um möglichst viele Leute in die Stadt zu locken. Die gesättigten Delegierten applaudierten freundlich.

Siegfried Schmidt, DGB-Kreisvorsitzender in Bremen, mahnte soziale Federungen an. „Freiheit, das heißt doch nicht Freiwild für Miethaie“, erklärte Schmidt den Christdemokraten und forderte neben Investitionen auch „mehr Staat“ für die Absicherung der Menschen.

Für natürliche Zutaten sorgte an diesem Abend BUND-Aktivist Hermann Cordes. Er versorgte das Auditorium mit klaren, ökologischen Grundnahrungsmitteln: eine umweltfreundliche Abfallwirtschaft, Stop der Freiflächenversiegelung, sparsamer Wasserverbrauch und Stopp des Straßenbaus gehörten zu seinem Zukunftsrezept.

Die fremden Menus sollten, so forderte der Fraktionsvorsitzende Peter Kudella die Delegierten auf, breit diskutiert werden. Die fremden Köche sollen neuen Schwung in den eigenen Laden bringen. Bis zum Frühjahr 1991 sollen sich die Christdemokraten entscheiden, wie die künftige Politik in Bremen auszusehen hat. Dann nämlich veranstaltet die Bremer CDU ihren Programmparteitag.

Am Ende des Parteitages verabschiedeten die Delegierten zwei Anträge. Danach lehnt die Bremer CDU die Finanzierung der Einheit durch Steuererhöhung ab und fordert den Ausbau der Eisenbahnstrecke Emden — Bremen - Uelzen — Stendal — Berlin. Markus Daschner