Drogenabhängige ohne Klo und Wohnung

■ Tagesstätten geschlossen, Übernachtungsplätze überbelegt, Gelbsucht in der Szene

Der junge Mann, mit Plastiktüte in der Hand und vom Regen durchgeweichten Espandrillos, rüttelt vergebens an der Tür: Die derzeit einzige Anlaufstelle für Junkies, in der Weberstraße 39 vom „Verein für akzeptierende Drogenarbeit“ (AK-Drogen), tauscht seit gut zwei Wochen nur noch die gebrauchten Spritzen um — durch die Klappe in der Eingangstür.

Aufwärmen, Kaffeetrinken, Wunden verbinden sind bis auf weiteres gestrichen: Die MitarbeiterInnen sind „in Klausur“. Sie beraten, wie es in Herbst und Winter mit ihrer Arbeit überhaupt weitergehen kann: „Hier können wir in diesem Winter nicht wieder die Obdachlosen übernachten lassen. Das ist schlichtweg nicht zu schaffen.“

Birgit Striehm, als Arzthelferin eigentlich zur Wundbehandlung der Junkies angestellt, kommt zu dieser Arbeit längst nicht mehr. Auch Beratung ist in dem knapp 30 m2 kleinen Raum so gut wie nicht mehr möglich, denn Tag für Tag drängen 80 bis 100 Drogenabhängige zum Aufwärmen und Kaffeetrinken herein.

Der junge Mann mit Plastiktüte flucht. Was er jetzt machen wird? — „Da muß ich mir halt 'nen Kumpel suchen, der 'n Zimmer hat.“ Denn auch die staatliche Drogenberatungsstelle gegenüber in der Bauernstraße (drobs) hält nur den Notbetrieb aufrecht: ärztliche Versorgung, Beratung, Duschtermine, Kleiderdepot und -kammer. Weil die Bautrupps immer wieder Termine platzen ließen, weil sich bei sommerlichen Renovierungsarbeiten ein Balken aus der Decke löste, Löcher unter dem Teppichboden zum Vorschein kamen, die Besucherklos in hygienisch und baulich unzumutbaren Zuständen sind, blieb das Cafe seit Anfang Juli geschlossen. Ab heute soll es bis zum endgültigen Umbau (die drobs rechnet mit dem 8.10.) wenigstens stundenweise geöffnet werden — wenn auch ohne Toilettenbenutzung und ohne Mittagstisch.

Damit stehen die Junkies, von denen in Bremen zur Zeit schätzungsweise 50 bis 60 obdachlos sind, auch tagsüber auf der Straße. In der Szene werden bereits Schlaf- und Duschplätze verdealt. Und beim Hauptgesundheitsamt häufen sich die Eintragungen von Hepatitis A bei Drogenabhängigen, einer Gelbsucht, die durch mangelnde Hygiene übertragen wird. Meist wird sie über den Kot schon wieder ausgeschieden, bevor die Krankheit diagnostiziert ist — d.h. vor Auftreten grippeähnlicher Symptome und Gelbwerden der Haut. „Händewaschen nach dem Gang zum Klo sollte für jeden selbstverständlich sein — besonders in öffentlichen Toiletten“, betont die Gesundheitssenatorin. Bei ausreichender Körperpflege bestehe keine Ansteckungsgefahr.

Als das Gesundheitsamt jetzt wegen der Gelbsuchtfälle in der Beratungs- und Aufwärmstation des AK-Drogen auftauchte, hatte die bereits geschlossen. „Sonst hätten wir spätestens dann, allein schon zur Sicherheit der MitarbeiterInnen, schließen müssen“, erklärt Birgit Striehm. Denn für Junkies und BeraterInnen gibt es hier nur ein WC.

Katastrophale Zustände herrschen auch im völlig unzureichenden Übernachtungangebot: In der Roonstraße drängen sich auf engstem Raum durchschnittlich 20 Leute, obwohl hier langfristig eine betreute Wohngemeinschaft leben soll. In der Kattenturmer Heerstraße leben zur Zeit 12 Ehemalige in 10 Räumen. Das Sozialamt hatte dieses Übernachtungsprojekt ursprünglich den HausbesetzerInnen vom Fedelhören als Ersatz angeboten. Doch die leben hier längst nicht mehr, andere Fixer haben dort auch keine Chance: Denn die Drogenhilfe hält es mittlerweile Leuten aus dem Methadon-Programm vor — mit einer halben Betreuungsstelle zusätzlich und 330 Mark Monatsmiete pro Person.

Und die „Outlaw“, das Übernachtungsschiff für maximal 12 Junkies, liegt immer noch im Dock: Wann der versprochene Anleger im Hafen endlich gebaut sein wird, wußte Hafensenator Kunick gestern auch nicht. ra