Kein gemeinsamer Löschzug in Sicht

■ Starkes Ost-West-Gefälle bei den Gehältern und Dienstzeiten auch nach dem Zusammenwachsen der Berliner Feuerwehren

Berlin. Bei der Feuerwehr brennt's: Nach der Wiedervereinigung der Feuerwehren aus beiden Teilen Berlins sind laut der Gewerkschaft ÖTV in der Noch-DDR die »sozialen Spannungen vorprogrammiert«. Beispielsweise werden die rund 850 Berufsfeuerwehrleute im Osten noch längere Zeit 72 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Dagegen wurden schon auf der Hälfte der Westberliner Feuerwachen die Schichtdienstzeiten von wöchentlich 55 auf 42 Stunden verkürzt. Daß es zu den angekündigten Neueinstellungen von 150 Mitarbeitern kommt, die bei der Ostfeuerwehr eine Verkürzung der Arbeitszeit auf wenigstens 55 Wochenstunden bringen soll, zeichnet sich laut ÖTV nicht ab.

Die Gewerkschafter weisen darauf hin, daß die Floriansjünger ja »erst ausgebildet« werden müßten, was im Westen durchweg zwei Jahre dauere. Ferner sei absehbar, daß viele ältere Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen nach 30 Dienstjahren in den vorgezogenen Ruhestand gingen. Zudem gilt für den öffentlichen Dienst in Ost-Berlin ein generelles Einstellungsverbot.

Auch am kraß unterschiedlichen Gehaltsniveau der Feuerwehrleute wird sich zunächst nichts ändern. Mindestens bis zum Ende des Jahres sollen die Ostberliner Feuerwehrmänner ihre bisherigen Gehälter vom DDR-Innenministerium überwiesen bekommen. Jetzt liegt die Besoldung um durchschnittlich 70 Prozent unter der eines Westkollegen. Ein verheirateter Löschmeister mit Kind erhält im Ostteil der Stadt inklusive Kindergeld rund 1.300 DM, beschrieb der zuständige ÖTV-Abteilungsgeschäftsführer Wolfgang Zitterich das Gefälle. »In West-Berlin bekäme er im vergleichbaren Rang eines Oberbrandmeisters 2.900 DM bar auf die Hand.«

Zum Ausgleich hatten die Feuerwehrleute Ost bislang einige soziale Vergünstigungen, wie sie die Kollegen im Westteil der Stadt nicht kannten. Doch die werden, soviel steht fest, mit der Vereinigung gestrichen. Das betrifft unter anderem die freie Fahrt mit den BVB.

Aufgrund der großen Unterschiede bei der Bezahlung und den Dienstzeiten hielt es Brandoberrat Albrecht Broemme für kaum vorstellbar, daß schon ab Oktober Ost- und Westberliner Beamte auf den städtischen Brandwachen gemeinsam ihren Dienst verrichten. Gewissermaßen eine Vorreiterrolle spielen Einsatzleiter West des höheren Dienstes. Ab dem 3.10.1990 sollen sie in einem dann ständig an der Feuerwache Mitte stationierten Dienst-BMW zusammen mit jeweils einem Ostkollegen zu größeren Feuereinsätzen düsen.

Nach wie vor nicht entschieden ist, ob der Rettungsdienst in Ost-Berlin weiter dem dortigen Rettungsamt unterstellt bleibt. In West-Berlin ist der Notfallrettungsdienst alleinige Aufgabe der Feuerwehr; von den knapp 146.000 Einsätzen im letzten Jahr waren rund 90.000 Notfallrettungseinsätze. Die Lösung, das in diesen Tagen 70 Jahre alt gewordene Rettungsamt zugunsten der Feuerwehr aufzulösen, sei »um fast acht Millionen DM billiger«, ist man in der Charlottenburger Feuerwehrdirektion überzeugt. Vor allem habe sich das Westberliner System der Notarztwagen-Stützpunkte an Krankenhäusern hervorragend bewährt. Die kurzen Eintreffzeiten der Rettungswagen gäben oft gerade bei internistischen Notfällen den Ausschlag. Demgegenüber, so Broemme, muß die »Schnelle Medizinische Hilfe« (SMH) im Osten mit deutlichen Handicaps kämpfen: »Die SMH hat ihre Stützpunkte in den Privatwohnungen der Ärzte. Da muß der Arzt im Winter erst mal die Infusionslösung und das Defilibrat schnell aus der beheizten Wohnung raustragen, Eis und Schnee beseitigen.« Der Feuerwehrfachmann ging indes davon aus, daß in Gesamt-Berlin künftig auf jeden Fall statt der jetzt sieben 14 Notarztwagen (NAW) und möglicherweise ein zweiter Rettungshubschrauber eingesetzt werden.

Ebenfalls Zukunftsmusik sind die Planungen für eine einheitliche Funkleitstelle der Berliner Feuerwehr. Vorübergehend muß in der Brandschutzdirektion Ost weiter eine zweite Leitstelle arbeiten, weil die Post zur Zeit noch nicht die »112«-Notrufe nach West-Berlin durchschalten kann. Bis spätestens Mitte 1991 wollen die Fernmeldetechniker diese Aufgabe aber bewältigt haben.

Ohne Frage bringe das Zusammengehen der Feuerwehren insgesamt einen »Zuwachs an Sicherheit« für die Menschen in der Stadt, lautet die von beiden Seiten geteilte Einschätzung. Ob das auch für den vorbeugenden Brandschutz im Osten zutrifft, bleibt jedoch abzuwarten. Im Ostteil wird es die staatlich verordnete »Massenüberprüfung« des Brandschutzes in Wohnstätten durch Feuerwehrleute nicht mehr geben. Diese mußten einmal jährlich vor Beginn der Heizperiode im Oktober 25 Prozent der Wohnungen penibel überprüfen. Der von Kampagnen begleitete Kontrollaufwand lohnte sich offenbar: 1989 gab es in Ost-Berlin nur 328 Wohnungsbrände, wohingegen zwischen Wannsee und Frohnau rund 2.800 Brände in Wohnanlagen registriert wurden. Nun hofft man in West-Berlin, mit Hilfe des Zuwachses der einschlägig ausgebildeten Ostkollegen hier weit mehr Industrie- und Gewerbebetriebe als bisher kontrollieren zu können. Thomas Knauf